Ein Tag, zwei Leben
mentalen Check-up und ja … es war verrückt. Das gehörte genau zu der Art von Dingen, die ich täglich wie wild zu vermeiden versuchte, und jetzt verfiel ich genau in die Art von Verhalten, für das mich die Leute anstarrten, als wäre ich – nun ja – verrückt.
Mist.
Gerade wollte ich zu Miriam sagen, sie solle es vergessen, aber da machte sie bereits einen Schlenker auf den Parkplatz vor dem Laden.
» Wenn du eine Obstdiät machst, untersteh dich, sie ohne mich zu machen.«
» Oh.« Ich klappte den Mund auf, um ihr zu sagen, dass ich das nicht vorhätte, und da begriff ich, dass sie mir dadurch ein Sicherheitsnetz bot. Ich hörte auf herumzuzappeln und zog eine Augenbraue nach oben. » Wir sind mitten in der Partysaison, Miriam«, sagte ich in einem Tonfall, der ihr mitteilte, dass sie darauf schon hätte vorbereitet sein müssen.
Sie nickte feierlich. » Ich werde genau das essen, was du isst.«
Ich nutzte die Chance und sprang aus dem Wagen.
Im Laden war alles entmutigend normal. Kein Anzeichen dafür, dass irgendetwas anders war als sonst. Dann trat er durch den Vorhang aus bunten Plastikröhrchen, der an der inneren Tür hing: der Obstladen-Typ. Dicklich, zur Glatze neigend und in übergroßen Jeans, die einen unwillkommenen Blick auf seine Po-Falte freigaben, als er sich über einen Haufen Äpfel beugte. Der Typ, dem, seit ich denken konnte, der Laden gehörte.
» Kann ich Ihnen helfen, Missy?«, fragte er und warf mir einen raschen Blick zu, bevor er sich wieder seiner Apfelpyramide zuwandte.
» Oh, ähm, ja. Ein paar Äpfel und Erdbeeren, bitte.«
Er schnappte sich eine Papiertüte. » Wie viel von jedem?«
Ich fühlte mich elend. » Zwei Äpfel und zwei Schälchen Erdbeeren, danke.«
Innerhalb weniger Sekunden hatte er alles in die Tüte gepackt und stand hinter der Kasse.
Als ich zahlte, räusperte ich mich. » Ich … ich glaube, ich habe Sie gestern gesehen. Sie sind aus der U-Bahnstation gekommen … in Boston.«
Er warf mir einen kurzen Blick zu. Befremdet.
» Das kann ich nicht gewesen sein, Missy.«
» Ähm, oh, na ja, hat jedenfalls ausgesehen wie Sie, und ich habe mich nur gefragt, ob Sie mich auch gesehen haben. Sie, ähm, hatten einen hellbraunen Anzug an und sind die Treppe hoch gekommen. Sie, ähm, sind direkt an mir vorbeigegangen.«
Der Obstladen-Typ reichte mir die Tüte, dazu gab es auf Kosten des Hauses noch einen weiteren völlig befremdeten Blick. » Das war ich nicht. Ich habe nicht mal einen Anzug und in der Stadt war ich nicht seit, oh …« Er dachte darüber nach. » Mein letzter Besuch ist mindestens einen Monat her. Muss wohl jemand anderes gewesen sein.«
Ich nickte eifrig. » Ja, ja. Ich war wahrscheinlich … Es wurde gerade dunkel und ich konnte nicht mehr so deutlich sehen.«
» Ein junges Mädchen wie Sie sollte so spät nicht mehr in der Stadt sein. Seien Sie lieber vorsichtig.«
Ich nickte wieder und ging rückwärts aus dem Laden.
Mist.
Ich hätte nie hineingehen sollen.
» Ja.« Ich hielt die braune Tüte hoch. » Danke, ich gehe jetzt besser zur Schule.«
Mein Herz klopfte mir in den Ohren; der trockene, bittere Geschmack in meinem Mund war der vertraute Geschmack der Enttäuschung.
Wen immer ich gesehen hatte, ob es nun er gewesen war oder nicht, er hatte keine Ahnung. Er war nicht wie ich.
Niemand war das.
3 – Wellesley, Freitag
» Noch eine Woche, dann winkt die Freiheit!«, verkündete Miriam, während wir den Flur entlanggingen. Unser Countdown lief schon seit zwölf Wochen. Für mich war er doppelt so lang gewesen, deshalb lächelte ich bis hinter beide Ohren.
» Ich für meinen Teil werde das Beste aus den Ferien machen«, sagte ich und biss mir kess auf die Lippe.
» Du und Dex?«, fragte Miriam und zog eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen nach oben. Miriam hatte lange blonde Haare, die sie stylisch-unordentlich hochgesteckt hatte. Sie hatte ein Faible für zweifelhafte Clips, und heute hatte sie mindestens ein Dutzend davon in ihre Frisur eingearbeitet, alle in unterschiedlichen Pastelltönen. Zusammen mit ihrem blassen Teint, den eisblauen Augen und ihrem heutigen Outfit, bestehend aus einem zartrosa Bleistiftrock und einem cremefarbenen, schulterfreien T-Shirt, sah sie wie eine Fashion-Queen aus.
Ich zuckte mit den Achseln. Miriam hatte » das erste Mal« schon hinter sich mit ihrem Freund Brett und seitdem versuchte ich sie bei jeder Party vom Rücksitz seines BMW zu zerren.
» Ich finde, er hat jetzt wirklich lang
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