Ein toter Lehrer / Roman
Recht, zur Polizei-Aufsichtsbehörde zu gehen.«
»Mr. Travis kann gehen, wohin er will«, sagte Lucia. »Ich hätte da selbst noch den einen oder anderen Vorschlag.«
»Menschenskinder, Lucia! Sie werden noch nicht einmal gewinnen!«
Lucia zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, das ist nicht meine Sache. Ich würde allerdings meinen, Gewinnen spielt kaum eine Rolle. In so einem Fall zählt normalerweise nicht das Urteil des Gerichts.«
»Worum geht es denn dann? Worum zum Teufel geht es dann?«
»Erinnern Sie sich an Samuel Szajkowski, Chief? Er stand nicht vor Gericht, aber man hat ihn verurteilt. Travis hat zugelassen, dass man ihn verurteilt. Und Leo Martin. Sprechen Sie Mr. Travis doch mal auf Leo Martin an, und schauen Sie, welche Farbe er dann annimmt.«
»Leo Martin? Wer ist denn das nun schon wieder?«
»Bloß ein Junge. Noch so ein Junge, der vor Gericht nicht recht bekam. Aber den Streit hat er trotzdem gewonnen. Dafür hat die Presse schon gesorgt.«
Cole zog ein spöttisches Gesicht. »Sie sprechen in Rätseln, Lucia. Und Sie reden sich gerade um Kopf und Kragen, bloß damit das klar ist.«
»Sagen Sie mir, Chief: Warum führen wir dieses Gespräch hier überhaupt? Wenn es ums Gewinnen ginge, warum lassen Sie die Samsons dann nicht einfach auflaufen?« Lucia ging einen Schritt auf Coles Schreibtisch zu. »Selbst wenn die Samsons mit ihrer Klage nicht durchkommen, werden sie erreicht haben, was sie erreichen wollten, das wissen Sie genauso gut wie ich. Dann kann Travis sich nämlich nicht mehr verstecken. Dann kann er keine mächtigen Interessengruppen mehr vorschieben. Sie, Ihr Chef oder wer auch immer mit dem Direktor unter einer Decke steckt: Keiner von Ihnen wird ihm dann mehr helfen können. Sie sitzen dann vielleicht sogar in derselben Falle wie der Mann, den Sie jetzt mit allen Mitteln zu schützen versuchen.«
Cole schüttelte den Kopf. »Ich habe den Herren gesagt, Sie seien vernünftig, für Drohungen gebe es keinen Grund. Aber nun wird es so kommen. Wenn sich Ihre Freunde zu weiteren Schritten entschließen, werden Sie die Konsequenzen zu spüren bekommen, das kann ich Ihnen sagen. Und ich werde nichts tun, um Sie zu schützen.«
»Darum würde ich Sie auch nicht bitten. Ich denke nicht im Traum daran.«
»Dann ist es Ihnen das also wert. Der Preis, den Sie persönlich dafür zahlen, nur für ein paar Zeilen ganz unten auf Seite neun – das ist es Ihnen wert?«
Lucia bückte sich und hob den Umschlag auf. Sie legte ihn auf Coles Schreibtisch. »Samuel Szajkowski«, sagte sie. »Nachdem er Donovan erschossen hatte, feuerte er Richtung Bühne. Er zielte auf Travis, Chief. Nicht auf die Frau, die ihn betrogen hat, oder den Mann, der ihn gequält hat. Er zielte auf Travis.«
»Das ist mir egal, Lucia. Und Travis ist es auch egal.«
»Das glaube ich auch. Er hat im Moment sicher anderes im Kopf. Aber er wird noch genug Zeit haben, darüber nachzudenken, was das bedeutet, wenn er erst einmal aus dem Dienst ausgeschieden ist.«
Draußen warteten sie schon. Sie sahen zwar nicht so aus, aber ihr demonstratives Desinteresse ließ keinen Zweifel daran. Nur Harry sah Lucia offen an, als sie herauskam. Er zog die Augenbrauen hoch. Lucia verzog als Antwort das Gesicht.
Köpfe hoben sich und folgten Lucia auf ihrem Weg durch das Büro. Sie wäre schnurstracks zum Treppenhaus gegangen, hätte Harry sie nicht vorher eingeholt.
»Lucia«, sagte er. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und zog sie sanft herum. »Ich weiß, das ist jetzt vielleicht nicht der beste Zeitpunkt …«
Lucia blickte über Harrys Schulter. Coles Tür war immer noch geschlossen, aber Walter beobachtete sie von seinem Schreibtisch aus mit einer Miene irgendwo zwischen Ungläubigkeit und Vergnügen. Nicht weit von ihm lungerten Rob und Charlie herum, das höhnische Grinsen jederzeit feuerbereit. »Das ist ganz und gar kein guter Zeitpunkt.«
»Nein«, sagte er und sah kurz hinter sich. »Ich weiß. Aber wenn du da drin getan hast, was ich mir vorstelle, dann … Dann sehen wir uns wohl eine ganze Weile nicht, fürchte ich.«
Lucia merkte, dass Harrys Ausdrucksweise sie zum Lächeln brachte. »Was ist?«
»Nichts. Nichts Wichtiges. Ich wollte dich bloß was fragen, das ist alles.« Er sprach jetzt leiser, aber die anderen hörten immer noch zu. Sie würden ihn trotzdem noch verstehen. »Ich wollte dich fragen, ob du Lust hättest, mit mir was trinken zu gehen. In einer Kneipe oder so. Also, natürlich nicht
Weitere Kostenlose Bücher