Die Hexensekte!
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Österreich, Tirol,
Gemeinde Stans im Bezirk Schwaz
Dichter Nebel zog durch die schmalen Gassen der Gemeinde Stans in Tirol. Das düsterte Licht der Straßenbeleuchtung schimmerte in den kleinen Rinnsalen, die sich durch den kurzen, aber heftigen Platzregen gebildet hatten. Unaufhörlich suchte sich das kühle Nass seinen Weg in den Untergrund.
Die Straßen waren wie ausgestorben. Die Menschen blieben lieber in ihren warmen Häusern, keiner wollte bei diesem nasskalten düsteren Wetter noch unterwegs sein. Selbst die streunenden Hunde und Katzen hatten sich in ihre Löcher verkrochen und wagten sich nicht wieder heraus.
Die junge Anna Moser kuschelte sich gerade unter die warme Decke ihres Bettes. Sie hörte die dumpfen Glockenschläge der Kirche, es schlug Mitternacht.
Steh auf, es ist so weit.
Anna öffnete ihre Augen und blickte sich in ihrer dunklen Schlafkammer um. Woher kam diese Stimme? Ihre Eltern schliefen einen Stock tiefer, konnten es nicht gewesen sein. Sie schloss ihre Augen, versuchte sich schöne Dinge vorzustellen. In diesem Sommer hatte sie die Matura bestanden und wollte ab dem Herbst an der Universität Innsbruck Biologie und Umweltkunde studieren.
Steh auf Anna, wir warten auf dich.
Sie setzte sich auf und schlug die Bettdecke zur Seite. Bildete sie sich diese Stimme nur ein? Sie erhob sich und trat an das Fenster. Das Mädchen erkannte durch den Nebel nur die Umrisse der gegenüber liegenden Häuser. Sie blickte zum Himmel und suchte den schwarzen Neumond, konnte aufgrund des bewölkten Himmels jedoch nichts erkennen.
Mit ihrer linken Hand strich sie eine Strähne ihrer langen dunkelbrauen Haare aus dem Gesicht. Sie drehte sich um, stellte sich vor die verspiegelte Schranktür in ihrer Schlafkammer. Ihr starrender Blick, mit den leblosen Pupillen betrachtete ihr Spiegelbild. Vor ihr stand ein schlankes Mädchen mit langen dunkelbraunen Haaren. Dieses Mädchen trug nur ein weißes, knielanges Nachthemd.
Wer war das Mädchen, fragte sich Anna verwirrt, ohne sich selbst zu erkennen.
Komm Anna, wir sind bereit.
Sie nickte mechanisch mit dem Kopf, verließ ihr Schlafgemach, schritt langsam die knarzende Treppe herunter und verließ ihr Elternhaus.
Ihre nackten Füße bewegten sich mechanisch vorwärts. Sie wirkte wie ein Roboter, der durch eine Fernbedienung von einer anderen Person gelenkt wurde.
Sie schritt durch den dichten Nebel. Ihr keuchender Atem hinterließ kleine weiße Dampfwölkchen in der Luft. Sie brauchte keine Orientierung, eine unheimliche Macht lenkte ihre Schritte.
Sie verließ den kleinen Ort Stans und erreichte einen schmalen Waldweg.
Anna wusste weder, was sie in diesen Wald verschlagen hatte, noch wer ihre Schritte lenkte.
Plötzlich verhedderte sie sich in einem Dornengestrüpp und fiel der Länge nach hin. Ein scharfer Schmerz bohrte sich durch ihr linkes Bein und ließ sie vor Schreck aufschreien. Durch die Wunde an ihrem Oberschenkel tropfte ihr Blut auf den Waldboden. Ohne darauf zu achten richtete sie sich wieder auf und ging weiter.
Sie wurde von etwas angezogen, wie ein Stück Metall von einem Magneten. Durch den dichten Nebel erkannte sie schemenhaft eine beleuchtete Lichtung. Das Licht wurde durch eine Vielzahl brennender Fackeln erzeugt, die in einem kreisförmigen Muster im Waldboden steckten.
Anna trat zwischen den Bäumen hervor und blickte auf eine Gruppe Frauen, die auf der Erde knieten und ein unheimliches Lied sangen.
Alles fühlte sich richtig an, sie wollte hier sein und spürte keine Furcht.
Sie schritt durch den Kreis der knienden Frauen. In der Mitte befand sich ein Erdhaufen, etwa in der Größe eines menschlichen Grabes.
Anna stellte sich direkt vor diesen Erdhaufen und schloss ihre Augen. Die Kälte kroch unter ihr dünnes Nachthemd und verursachte eine Gänsehaut. Eine der Frauen erhob sich und trat hinter das Mädchen.
Es war eine große dunkelhaarige Frau mit einer machtvollen Präsenz. Sie trug einen schwarzen Umhang und hielt einen silbern glänzenden Dolch in ihrer rechten Hand.
„Wir haben dich bereits erwartet“, flüsterte die dunkelhaarige Frau. Anna erkannte sie wieder. Es war eindeutig die Stimme, die vor wenigen Augenblicken in ihrem Schlafzimmer zu ihr gesprochen hatte.
Die Frau öffnete die Knöpfe von Annas Nachthemd. Der Stoff glitt langsam auf den Boden und entblößte den nackten Körper des jungen Mädchens.
„Du bist wunderschön, kleine Anna aus Stans“, flüsterte die unheimliche Frau.
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