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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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nicht besonders gut bezahlt, aber können Sie sich etwas Befriedigenderes vorstellen? Wieder dachte er nach. Ich glaube, Sinn ist das Wort, nach dem ich suche, sagte er. Der Lehrerberuf hat meiner Ansicht nach einen Sinn. Einen echten Sinn.
    Auch diese Antwort gefiel mir nicht. Sie erschien mir wichtigtuerisch, und sie erschien mir kalkuliert. Er könnte sie in einem Buch gelesen haben.
    Er bat um ein Glas Wasser. Ich hatte ihm keins angeboten, aber er bat trotzdem darum. Ich ließ ihm von Janet eins bringen, und er dankte ihr recht unterwürfig. Er trank einen großen Schluck und wirkte dann unsicher, wusste nicht, wohin mit dem Glas. Er wollte es auf meinen Schreibtisch stellen, überlegte es sich aber anders. Schließlich behielt er es einfach in der Hand, in seinem Schoß. Ich sah genau, dass er bereute, darum gebeten zu haben, aber ich bot ihm nicht an, es ihm abzunehmen. Wie käme ich dazu?
    In einer idealen Welt, sagte ich zu ihm, würden wir Sie nur die jüngeren Schüler unterrichten lassen. Die Jahrgangsstufen sieben, acht, neun, zehn. Aber wir leben nun einmal nicht in einer idealen Welt, und bei uns herrscht Personalmangel.
    Szajkowski nickte, schien zu verstehen. Ich war mir aber keineswegs sicher, ob er es wirklich verstand.
    Sie würden Schüler auf ihre Abschlussprüfung vorbereiten, sagte ich. Mittlere Reife, sogar A-Level. Und das nicht nur in Geschichte, Mr. Szajkowski. Manchmal werden Lehrer krank. Ich ermuntere zwar niemanden dazu, aber es kommt trotzdem vor. Das ist die harte Realität. Und wenn Lehrer krank werden, müssen andere Lehrer ihren Unterricht übernehmen.
    Es wäre mir ein Vergnügen, Mr. Travis. Ich bin überaus gewillt, meinen Teil beizutragen.
    Das ist ein Dauerzustand, Mr. Szajkowski. Es wird keine Atempause geben, solange Sie hier bei uns arbeiten, das kann ich Ihnen versichern. Vorausgesetzt natürlich, wir entschließen uns dazu, Sie einzustellen.
    Selbstverständlich, sagte er und nickte wieder recht ernst. Ich weiß Ihre Warnung zu schätzen, ebenso, wie ich es zu schätzen wüsste, wenn Sie mir eine Chance gäben. Die Situation hier ist ganz sicher nicht ungewöhnlich. Ich nehme an, dass an so ziemlich jeder anderen staatlichen Schule vergleichbare Anforderungen gestellt werden.
    Wieder eine Spur von Arroganz, als stünde es ihm zu, mich über den Zustand des Bildungssystems in diesem Land zu belehren. Aber ich ließ die Sache auf sich beruhen. Er wird seine Unerfahrenheit noch früh genug zu spüren bekommen, sagte ich mir.
    Bevor er ging – kurz bevor er mein Zimmer verließ und dabei immer noch dieses unsägliche Glas umklammerte –, stellte ich ihm eine weitere Frage, und zwar nach seiner Einstellung zu Geschichte. Ich fragte ihn, was Geschichte seiner Meinung nach sei.
    Ob ich Carr gelesen habe, wollen Sie das wissen?, fragte er. Zugegeben, ich war sprachlos. E. H. Carr, Detective. Neben Ihnen im Regal steht das Buch. Ein absolut indiskutables Werk. Recht luzid, aber vollkommen töricht. Jedoch könnte man einen Geschichtslehrer, der es nicht gelesen hat, ebenso gut durch ein Buch ersetzen.
    Und was halten Sie von Mr. Carrs Hypothese?, fragte ich ihn.
    In Teilen stimme ich ihm zu. Aber insgesamt fand ich seine Argumente zu geschraubt. Ein wenig aufgeblasen. Geschichte ist,
     was sie ist. Sie kann die Zukunft nicht voraussagen, aber sie kann uns verstehen helfen, wer wir sind und woher wir kommen.
     Geschichte lebt vom Kontext, sagte er, und ohne Kontext geht jegliche Bedeutung verloren.
    Das beeindruckte mich, muss ich gestehen. In intellektueller Hinsicht zeigte er ein gewisses Rückgrat, auch wenn sein Auftreten so etwas vollkommen vermissen ließ. An seiner Qualifikation bestand allerdings nie Zweifel. Eine gute Schule, eine ehrwürdige Universität – keine dieser ach so tollen Fachhochschulen – und solide Noten. Ein A-Level in Mathematik, denken Sie nur. Er war intelligent. Unerfahren, aber intelligent, und weil er so unerfahren war, war er billig.
    Wir haben jetzt Vorgaben, Detective. Wir haben Vorgaben, die erfüllt werden wollen, und Konten, die ausgeglichen sein müssen. Sehen Sie mich ruhig skeptisch an, aber ich kann nicht außer Acht lassen, welche Kosten das Kapital verursacht, in das wir investieren, ob menschliches oder anderweitiges. Glauben Sie mir, ich würde es gern. Der Umgang mit Geld beschmutzt Seele und Fingerspitzen gleichermaßen. Die Buchhaltung kann eine schäbige Angelegenheit sein. Aber sie ist notwendig, und lieber kümmere

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