Ein Universum aus Nichts
trennen, ehe alles an einen unerreichbaren Ort verweht wurde. Damit nahm der Tag noch ein gutes Ende; eine Suchmission ortete die Nutzlast auf der antarktischen Ebene und barg den Druckbehälter mit den wissenschaftlichen Daten.
Ehe ich das Bild von BOOMERanG interpretiere, möchte ich noch einmal betonen, dass die tatsächliche Größe der im Bild festgehaltenen heißen und kalten Zonen durch einfache Physik in Verbindung mit der letzten streuenden Oberfläche festgelegt ist, während die gemessenen Größen der heißen und kalten Zonen auf dem Bild sich aus der Geometrie des Universums ableiten. Eine einfache zweidimensionale Analogie kann vielleicht dazu beitragen, das Ergebnis genauer zu erklären: In zwei Dimensionen ähnelt eine geschlossene Geometrie der Oberfläche einer Kugel, während eine offene Geometrie der Oberfläche eines Sattels ähnelt. Zeichnen wir ein Dreieck auf diese Oberfläche, beobachten wir den geschilderten Effekt: Auf einer Kugel laufen Gerade zusammen, auf einem Sattel laufen sie auseinander, und auf einer Ebene bleiben sie selbstverständlich gerade.
Die Eine-Million-Dollar-Frage lautet nun also: Wie groß sind die heißen und kalten Zonen auf dem Bild von BOOMERanG tatsächlich? Um diese Frage zu beantworten, hat die Forschungsgruppe BOOMERanG einige Computersimulationen erstellt, die wiedergeben, wie kalte und heiße Zonen in einem offenen, geschlossenen oder flachen Universum aussähen. Diese hat sie mit einem weiteren Bild (ebenfalls in Falschfarben) des tatsächlichen Mikrowellen-Himmels verglichen.
Links unten auf dem Bild des simulierten geschlossenen Universums erkennt man, dass die Zonen im Durchschnitt größer sind als im tatsächlichen Universum. Rechts sind diese Zonen im Schnitt kleiner. Das einem flachen Universum entsprechende mittlere Bild hingegen ist wie im Märchen von Goldlöckchen »gerade richtig«. Das von den Theoretikern erhoffte mathematisch schöne Universum schien durch diese Beobachtung bestätigt, obwohl es scheinbar in starkem Widerspruch zu den Schätzungen steht, die sich beim Wiegen von Galaxienhaufen ergeben haben.
Tatsächlich ist die Übereinstimmung zwischen den Vorhersagen für ein flaches Universum und dem mit BOOMERanG gewonnenen Bild fast schon peinlich. Das Team von BOOMERanG suchte nach den größten Zonen, die Zeit gehabt hatten, zu dem von der letzten streuenden Oberfläche wiedergegebenen Zeitpunkt erkennbar in sich zusammenzufallen. Daraus leitete das Team folgenden Graphen ab:
Die Punkte geben die Daten wieder. Die durchgezogene Kurve entspricht der Vorhersage für ein flaches Universum, wobei die höchste Erhebung ungefähr bei einem Grad liegt!
Nachdem die Ergebnisse des BOOMERanG -Experiments veröffentlicht waren, startete die NASA im Juni 2001 eine weit empfindlichere Raumsonde zur Messung der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung – die Wilkinson Microwave Anisotropy Probe ( WMAP ). Benannt ist sie nach dem verstorbenen David Wilkinson, einem der beiden Physiker in Princeton, welche die CMBR hätten entdecken sollen, wenn ihnen nicht Wissenschaftler der Bell Labs per Zufall zuvorgekommen wären. Die Sonde wurde in eine 1,5 Millionen Meilen von der Erde entfernte Position gelenkt, wo sie den Mikrowellen-Himmel auf der von der Sonne abgewandten Seite der Erde beobachten konnte, ohne von Sonnenlicht beeinträchtigt zu werden. Über sieben Jahre hinweg erstellte sie ein beispiellos genaues Abbild des gesamten Mikrowellen-Himmels. 20
Hier ist der gesamte Himmel auf eine Ebene projiziert – genau so, wie die Oberfläche des Globus auf eine flache Karte projiziert werden kann. Die Ebene unserer Milchstraße würde entlang des Äquators liegen; 90 Grad über der Ebene der Milchstraße befindet sich auf dieser Karte der Nordpol, 90 Grad unterhalb der Südpol. Das Bild der Milchstraße ist jedoch aus der Karte entfernt worden, weil hier nur die Strahlung wiedergegeben werden soll, die von der letzten streuenden Oberfläche stammt.
Mit derart exquisiten Daten lässt sich eine sehr viel präzisere Schätzung zur Geometrie des Universums durchführen. Eine dem Bild von BOOMERanG analoge Darstellung des WMAP bestätigt mit einer Genauigkeit von 1 Prozent, dass wir in einem flachen Universum leben. Die Erwartungen der Theoretiker waren korrekt. Aber um es noch einmal zu sagen: Die augenscheinliche Inkonsistenz dieses Resultats mit dem Ergebnis des letzten Kapitels können wir nicht ignorieren. Wenn wir die Masse der Galaxien und Cluster
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