Ein Universum aus Nichts
rückwärts verfolgt. Unter welchem Winkel eine 300000 Lichtjahre lange Messskala, die in einer mit der letzten streuenden Oberfläche zusammenhängenden Entfernung liegt, für uns tatsächlich erscheint, hängt demnach von der Geometrie des Universums ab, wie der folgenden Zeichnung zu entnehmen ist:
Das liefert einen direkten, eindeutigen Test für die Geometrie des Universums. Der Umfang der größten heißen oder kalten Zonen in der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung hängt allein von der Kausalität ab – von der Tatsache, dass die Schwerkraft sich nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann und der größte Bereich, der zu dieser Zeit kollabiert sein kann, einfach nur von der größten Distanz bestimmt ist, die ein Lichtstrahl zu diesem Zeitpunkt zurückgelegt hat. Außerdem wird der Winkel, unter dem wir eine festgelegte Messskala in einer festgelegten Entfernung sehen, genau von der Krümmung des Universums bestimmt, und deshalb kann ein simples Bild der letzten streuenden Oberfläche die Geometrie der Raumzeit enthüllen.
Das erste Experiment, mit dem man eine entsprechende Beobachtung versucht hat, war ein 1997 von Antarktika aus aufgelassener Versuchsballon namens BOOMERanG . Die Abkürzung steht zwar eigentlich für B alloon O bservations O f M illimetric E xtragalactic R adiation an d G eophysics, doch der wahre Grund für diesen Namen ist simpler. An einem Ballon für große Höhen war ein Mikrowellen-Radiometer befestigt, wie in der folgenden Abbildung zu sehen:
Der Ballon umrundete dann die Erde, was in Antarktika kein Problem darstellt. Rund um den Südpol ist das wirklich einfach durchzuführen, da man ihn einfach im Kreis herumtreiben lassen kann. Von der McMurdo-Station aus benötigte das Gerät für seine Rundreise um den Kontinent etwa zwei Wochen, bis es wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehrte – daher der Name Bumerang.
Die Ballonfahrt diente einem einfachen Zweck. Um einen Blick auf die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung mit ihrer Temperatur von drei Kelvin werfen zu können, ohne dass sie durch das weit wärmere Material auf Erden beeinträchtigt wird, 18 wollen wir so weit wie möglich über dem Boden und sogar oberhalb des größten Teils der Erdatmosphäre messen. Dazu nutzen wir im Idealfall Satelliten, doch Höhenballons können einen erheblichen Anteil der Aufgabe für viel weniger Geld erledigen.
Auf jeden Fall lieferte BOOMERanG nach zwei Wochen das Bild eines kleinen Ausschnitts aus dem Mikrowellen-Himmel. Es zeigte heiße und kalte Zonen im Strahlungsmuster, die von der letzten streuenden Oberfläche stammten. Unten ist ein Bild des Gebiets zu sehen, das im BOOMERanG -Experiment beobachtet wurde (die »heißen« bzw. »kalten« Zonen sind dunkel bzw. hell wiedergegeben). Es wurde überlagert mit dem Originalbild vom Start des Versuchs:
Für mich erfüllt das Bild einen doppelten Zweck. Erstens zeigt es die tatsächliche Größenordnung der heißen und kalten Zonen, wie BOOMERanG sie am Himmel gesehen hat – der Vordergrund dient zum Größenvergleich. Zweitens illustriert es aber auch einen weiteren wichtigen Aspekt dessen, was man nur als unsere kosmische Kurzsichtigkeit bezeichnen kann. Wenn wir an einem sonnigen Tag nach oben schauen, sehen wir einen blauen Himmel wie auf dem Foto des Ballons weiter oben. Das liegt jedoch daran, dass wir durch die Evolution daran angepasst sind, das sichtbare Licht wahrzunehmen. Das ist zweifellos darauf zurückzuführen, dass die Sonne im sichtbaren Bereich Spitzenwerte abstrahlt, sowie auch darauf, dass viele weitere Wellenlängen des Lichts in der Atmosphäre absorbiert werden, weshalb sie uns auf der Erdoberfläche gar nicht erreichen. 19 Hätte unser Auge sich stattdessen so entwickelt, dass wir Mikrowellenstrahlung »sehen« könnten, würde uns das wahrgenommene Bild des Himmels bei Tag und bei Nacht, solange wir nicht unmittelbar in die Sonne schauen, direkt zu einem Abbild der letzten streuenden Oberfläche führen, die mehr als 13 Milliarden Lichtjahre entfernt ist. Das ist das »Bild«, das der Detektor von BOOMERanG zurückgebracht hat.
Die erste Fahrt von BOOMERanG , der dieses Bild zu verdanken ist, verlief bemerkenswert glücklich. Die Antarktis ist eine feindselige, unberechenbare Umgebung. Bei einer späteren Fahrt im Jahr 2003 ging wegen einer Fehlfunktion des Ballons und eines anschließenden Sturms beinahe das ganze Equipment verloren. Erst in letzter Minute wurde beschlossen, die Instrumente vom Ballon zu
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