Ein unsittliches Angebot (German Edition)
vagen Bericht von seinem Aufenthalt in London erstattete.
»Wir hatten schlechte Neuigkeiten, seit Sie abgereist sind«, sagte Granville beiläufig. »Mrs Russells Erwartungen wurden enttäuscht; sie muss Seton Park verlassen. Ich glaube, sie zieht zu einem Bruder oder einer Schwester.«
Die Post fiel zu Boden. Theo blinzelte, sah aber nur tanzende Farben an der Stelle, wo der Verwalter sein sollte. »Sie hat das Kind verloren?«
»Ich habe es erst gestern gehört, von Mr Keene. Der Besitz fällt doch an den jetzigen Mr Russell. Ich will nicht damit zurückhalten, dass es mir verdammt leidtun wird, sie zu verlieren. Aber das wird es hier vermutlich allen.«
Theo stand unbeweglich da; ihm fehlten die Worte. Er hatte gedacht, er wüsste, wie es sich auf dem Grund des Brunnens anfühlte. Gar nichts hatte er gewusst. »Haben Sie sie gesehen?« Ja. Das waren die Worte, die er brauchte. »Kann sie schon Besuch empfangen?« Granville antwortete irgendetwas, doch es hätte ebenso gut Vogelgezwitscher sein können. Selbst wenn sie ans Krankenlager gefesselt wäre, würde er sich zu ihr durchkämpfen. Er bückte sich nach den Briefen, die er hatte fallen lassen, und ließ sie dann doch zurück. Keine Zeit für Nebensächlichkeiten.
Er sagte etwas zu Granville – der Himmel wusste, was, sollte der Verwalter sich ruhig seinen eigenen Reim auf seine Hast machen – und war verschwunden. Stall. Pferd. Die Einfahrt hinab und auf die Straße, auf der sie gegangen waren, als sie ihm die Gründe aufgezählt hatte, aus denen sie keine Lust mit ihm empfinden konnte. Eine Erkenntnis drang durch den Schleier seiner Trauer wie ein fernes Ufer, das im Nebel auftaucht: Der Grund, aus dem sie mich nicht heiraten wollte, ist weg. Doch seine einzige Reaktion auf diese Aussicht war stechende Scham darüber, dass er in einem solchen Augenblick so etwas hatte denken können.
Jemand musste ihm am Eingang von Seton Park das Pferd abgenommen haben. Jemand musste ihn eingelassen haben. Doch in seiner verschwommenen Verzweiflung wusste Theo nur noch, dass er sich an irgendeinem Dienstboten vorbeigezwängt hatte und den Salon im selben Moment betrat, in dem er angekündigt wurde. Und da war Martha.
Sie saß auf dem Sofa und wandte ihm das erstaunte Gesicht zu. Andere Leute waren im Raum. Sie waren nicht von Belang. Vier Schritte brachten ihn zum Sofa, wo er sie auf die Füße und in seine Arme riss. »Ich habe gehört, was geschehen ist«, sagte er in ihr Ohr. »Es tut mir so leid, dass ich nicht da war. Es tut mir so leid, dass du es allein durchstehen musstest.«
»Wer zum Henker ist das?«, fragte jemand hinter ihm, doch Mrs Russell sprach gleichzeitig, also drehte er sich nicht um. »Ich weiß nicht, was du meinst.« Sie wand sich in einem halbherzigen Versuch, seiner Umarmung zu entfliehen. Keine Chance. Keine Chance im Himmel oder auf Erden. »Was hast du gehört, und von wem?«
Wie konnte sie im Unklaren darüber sein, wovon er sprach? Er ergriff ihre Oberarme und hielt sie so, dass er ihr in die Augen sehen konnte. »Granville hat mir gesagt, dass du das Kind verloren hast.« Er sprach so leise, wie er konnte.
»Zum Henker mit Ihrem unverschämten Blick! Lassen Sie sie sofort los!«
»Einen Moment, bitte.« Er streckte die Hand aus. »Martha?« Hoffnung klopfte plötzlich an sein Bewusstsein wie ein ungebetener Gast an der Eingangstür. Sie hatte nicht verstanden, was er gemeint hatte. Und sie sah nicht so erschüttert aus, wie sie hätte sollen, klang auch nicht so, und fühlte sich nicht so an.
Mit einem Seitenblick auf die anderen Anwesenden schüttelte sie den Kopf. »Es ist nicht wahr.« Sie sprach fast ebenso leise. »Das Kind ist noch bei mir.«
Pure Erleichterung zwang ihn in die Knie; er sank auf das Sofa und vergrub den Kopf in den Händen. Dann spürte er, wie sie sich neben ihn setzte.
»Martha, was soll das bedeuten?« Durch seine Finger erspähte er den Besitzer der Stimme: ein Gentleman ungefähr in seinem Alter, mit honigfarbenem Haar und kaffeefarbenen Augen, der sich halb aus seinem Sessel erhoben hatte. Eine Dame mit dunklerem Haar, aber den gleichen Augen, saß im nächsten Sessel und hielt eine Teetasse.
Ja, das hätte er auch sehr gern gewusst. »Warum zum Teufel hat Granville mir dann etwas anderes erzählt?« Er hob das Gesicht und sah sie an. »Er hat gesagt, du würdest Sussex verlassen.« Misstrauen durchfuhr ihn. »Was tun diese Leute hier?«
»Wie können Sie es wagen!« Der junge Mann wollte ganz
Weitere Kostenlose Bücher