Ein unsittliches Angebot (German Edition)
»Und von weiteren Bemerkungen über ihren Charakter möchte ich Ihnen dringend abraten.«
»Willst du mir etwa drohen?« Selbst in seinem Alter sah sein Vater noch aus, als sei er durchaus in der Lage, über den Tisch zu springen und seinen Sohn zu erwürgen.
»Keineswegs. Aber wenn Sie sie als Ihre Tochter kennengelernt haben und sie dementsprechend lieben, werden Sie nicht wollen, dass Ihre Zuneigung durch die Erinnerung an so unziemliche Gefühle, wie Sie sie heute zum Ausdruck bringen könnten, getrübt wird.« Woher kamen diese Worte? Als er dieses Zimmer betreten hatte, hatte er genau gewusst, was er sagen wollte. Die Pflicht zwingt mich zurück nach Sussex. Wie war es zu Erklärungen und himmelhohen Ambitionen gekommen?
»Theo.« Endlich musste seine Mutter das Wort ergreifen. »Wie kannst du hoffen, sie zu heiraten, wenn sie vorhat, das Kind als das ihres Mannes auszugeben?«
»Und selbst ohne das Kind könnte sie nicht so bald wieder heiraten.« Sir Frederick stimmte ebenfalls einen milderen Ton an, wie um die fürsorglichen Bedenken seiner Frau zu unterstützen. »Ihr beide würdet in keiner vornehmen Gesellschaft willkommen sein.«
»Linfeld und ich würden euch empfangen.« Sophia warf einen kühnen Blick in seine Richtung, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. »Ich bin sicher, alle deine verheirateten Schwestern würden das tun.«
Sein Herz floss über vor Dankbarkeit, und einen Augenblick lang konnte er nicht sprechen. »Ich werde eure Gastfreundschaft sicherlich eines Tages in Anspruch nehmen.« Er verneigte sich vor seiner Schwester. »Aber ich vermute, dass sie mindestens ein Jahr lang nichts von Heirat wissen wollen wird.« Noch ein Blick in Richtung seines Vaters. »Vielleicht wird Ihnen das Zeit geben, sich mit dem Gedanken anzufreunden, Sir.«
»Mich damit anfreunden?« Der Baronet sprach wieder zu seinem Schreibtisch. »Mit einem unehelichen Enkel, der dann einem anderen Mann zugeschrieben wurde? Mit einer Hochzeit, die aus weiß Gott wie vielen verschiedenen Skandalen hervorgegangen ist?« Er schüttelte den Kopf. »Trotz all der Jahre als Taugenichts hätte ich dir nie zugetraut, so tiefe Schande über diese Familie zu bringen. Ich kann nur sagen, dass es mir leidtut, dass nicht Edwin der Ältere ist und du der Jüngere.«
Als wenn das nicht mindestens seit seinem zwölften Lebensjahr offensichtlich gewesen wäre. Theo nahm seinen Hut und setzte ihn auf. »Ich bedaure, Ihnen Betrübnis bereitet zu haben. Und ich weiß, ich habe in meinem Leben bisher nicht viele Taten vollbracht, wegen denen Sie stolz auf mich sein können.«
»… derentwegen ich stolz auf dich sein könnte.«
»Ja. Haargenau.« Er stand auf. »Aber ich fürchte, ich habe meinen Entschluss gefasst. Ich bin ein besserer Mann geworden dank Mrs Russell. Dass Sie das nicht erkennen, macht es nicht weniger wahr. Ich werde Ihre gute Meinung zu schätzen wissen, wenn Sie sie eines Tages zum Ausdruck bringen möchten, doch ich werde keine schlaflosen Nächte damit verbringen, auf diesen Tag zu warten. Meinen Respekt.« Er verbeugte sich.
Mutters und Sophias Gesichter strahlten vor stummer Sympathie, als er sich verabschiedete. Er hatte jemanden auf seiner Seite. Teufel noch mal, auch Sir Frederick würde bekehrt werden, wenn er sie kennenlernte. Das war das Ironische an der ganzen Sache: Hätte er sich auf die Suche nach einer Braut gemacht, die seinem Vater in Charakter und Verstand möglichst zusagte, hätte er keine bessere finden können als die ernste, selbstlose Martha Russell.
Jetzt musste er nur noch sie selbst überzeugen. Und wenn es ein Jahr dauern würde – wenn es zehn Jahre dauern würde oder zwanzig oder den Rest seines irdischen Lebens –, er würde einen Weg finden.
Pencarragh, verflucht sei seine Winzigkeit, kam ihm wie sein Zuhause vor, als er in die Einfahrt fuhr. Er sprang aus der Kutsche, ohne auf das Treppchen zu warten, und sah sich im Haus danach um, ob sich in der Woche seiner Abwesenheit wohl etwas verändert hatte. Nicht viel. Und dennoch sah er die Wände, die Fenster und den Parkettboden mit anderen Augen. Von hier aus würde er seinen unnachgiebigen Überzeugungsfeldzug angehen, und hier würde er feiern, wenn sie endlich eingewilligt haben würde, ihr Leben und das ihres Kindes mit dem seinen zu verbinden.
Granville arbeitete an seinem Schreibtisch in der Bibliothek. Theo hob ein paar Karten und Briefe auf, die für ihn angekommen waren, und sortierte sie, während er dem Verwalter einen
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