Ein unsittliches Angebot (German Edition)
Brüder.«
»Unsinn.« Die wenigen Diener waren aus der Kutsche gestiegen, und Martha ging auf eine Amme zu, um ihr ein kleines Bündel abzunehmen. »Du hattest die beste Entschuldigung der Welt.«
»Herzchen, ich hatte nicht einmal die beste Entschuldigung in der Familie. Hat jemand von euch von Will gehört?«
Nick hatte als Letzter einen Brief erhalten und konnte berichten, dass das Dreißigste Infanterieregiment noch immer in Antwerpen stationiert war.
»Was denken die sich nur dabei?«, war Kittys Kommentar. »Wenn sie ihn auf Elba stationiert hätten, um Napoleon persönlich zu überwachen, könnte ich es ja verstehen, aber der Krieg ist doch vorbei, mein Gott! Englische Soldaten gehören nach Hause!«
Nick war damit nicht ganz einverstanden, und die beiden zankten sich den ganzen Weg ins Haus, während Martha langsam folgte, den Kopf gesenkt, um den Geruch ihres neuesten Neffen aufzunehmen. Der kleine Charles würde im Laufe eines Jahres einen kleinen Cousin oder eine kleine Cousine bekommen – so Gott und ihre Gesundheit es wollten. Irgendwo in einer entfernten Ecke Englands, von wo keine Neuigkeiten nach Sussex und Mr James Russell zu Ohren kommen würden, um ihren Handel hinfällig zu machen.
Und irgendwann zwischen Jetzt und Dann – irgendwann bevor ihr Zustand unverkennbar würde – würde sie sich überlegen müssen, was genau sie Kitty und ihrem Mann erzählen sollte. Im Augenblick hatte sie allerdings noch keine Ahnung, was das sein könnte.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass du ihn enttäuschst. Es wird vermutlich auch nicht das letzte Mal sein. Theo straffte die Schultern und erklomm die Treppe des Londoner Hauses der Familie. Er hatte natürlich eine Karte geschickt, als er in die Stadt gekommen war, doch bis jetzt war er noch nicht dazu gekommen, sich persönlich vorzustellen. Und mit was für Neuigkeiten!
Ein schweigsamer Diener führte ihn herein. Als ob er sich nicht auskennen würde! Im zweiten Stock links, dann rechts zum hinteren Teil des Hauses. Sir Frederick würde im Salon sein, vermutlich mit einer Reihe weiterer Familienmitglieder, was seine Schmach nur noch verschlimmern würde.
Und wenn schon. Die gute Meinung seines Vaters war ohnehin wenig wert, wenn sie auf Unwahrheiten oder auch nur auf Halbwahrheiten beruhte. Und wenn er Sir Fredericks Wohlwollen verspielte – nun, dann war er auch nicht schlechter dran als die meiste Zeit seines Lebens.
An der Salontür ging der Diener glücklicherweise nicht so weit, ihn anzukündigen, sondern empfahl sich mit einer Verbeugung. Theo trat ein.
Trotz seines Anliegens wurde es ihm warm ums Herz, als er über die Schwelle trat.
Wie viele schöne Stunden er in diesem Raum verbracht hatte! Er hatte sein Taschengeld an jeden seiner Brüder verloren, der mit ihm Dame gespielt hatte, oder sich einfach nur dem Müßiggang hingegeben, während seine Schwestern an ihren Stickrahmen saßen und einer seiner gelehrigen jüngeren Brüder etwas vorlas.
Kein Bruder war an diesem Nachmittag anwesend, aber Sophia, seine älteste Schwester, legte ihre Handarbeit beiseite, stand vom Sofa auf und gab ihrem Entzücken darüber Ausdruck, dass sie gleichzeitig in der Stadt waren. Mutter war ebenfalls anwesend und ebenfalls entzückt. Vater begrüßte ihn mit einem Nicken, das möglicherweise herzlich war, von seinem Schreibtisch in der Ecke aus, wo er sich immer positionierte und mit wichtig aussehenden Papieren und anderen Zeichen seiner Bedeutung umgab.
Also los. Er entschuldigte sich von den weiblichen Nettigkeiten, durchquerte den Raum und nahm, den Hut in der Hand, vor dem Schreibtisch des Baronets Platz.
Was für ein wunderbarer Grübler sein Vater doch war, auch noch in reiferen Jahren. Dasselbe strenge Profil, dieselben schweren Augenlider wie auf den Porträts in der Galerie in Broughton Hall. Zu schade, dass er einer nordischen Prinzessin verfallen war und hatte mit ansehen müssen, wie die Mirkwood-Züge bei dem größten Teil seiner Nachkommen von blonder Muskelkraft verdrängt wurden.
»Ja?« Sir Frederick warf ihm einen Blick zu, aus dem halb widerwillige Aufmerksamkeit sprach; seine Feder schwebte noch über dem Papier. Ich habe mir vorgenommen, ihn gernzuhaben, und bislang hat er es nicht geschafft, mich davon abzubringen. Es lag in seiner Natur, Leute gernzuhaben. Da war nichts zu machen.
»Ich bin hier, um Ihnen mitzuteilen, dass ich mich in Pencarragh niederlassen werde. Ich habe meine Wohnung in der Stadt gekündigt, und ich
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