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Ein unverbindliches Ja

Ein unverbindliches Ja

Titel: Ein unverbindliches Ja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Reuter
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besitzt doch tatsächlich die Frechheit von mir zu verlangen, etwas anderes anzuziehen.
    Mama hört ihr hysterisches Gejaule und mischt sich ein: »Mensch, Kinder! Papa wartet! Was ist denn das für ein Geschrei hier?«
    Sie sieht uns in den gleichen Kleidern vor sich stehen und weiß sofort, was Annikas Problem ist. Mama möchte sie trösten und fügt hinzu: »Was ist denn bloß los? Ihr seht doch beide herzallerliebst aus.«
    Anscheinend will Annika aber nicht herzallerliebst aussehen.
    »Nein! Mit der kleinen Kröte im gleichen Kleid, das kannst du vergessen!«
    Daraufhin drückt Mama mir eine Plastiktüte in die Hand und schickt mich runter zu Papa.
    Als die beiden kurze Zeit später nachkommen, traue ich meinen Augen nicht. Annika hat sich umgezogen. Sie trägt den grünen Hosenanzug! Und das nur, weil sie genau weiß, dass meiner in der Wäschebox liegt. Als ob ich so schnell aufgeben würde …
    Papa, ungeduldig auf seinem Sattel hin und her rutschend, fragt, ob wir nun endlich losfahren können. Das ist meine Gelegenheit aufzuschreien: »Oh, Mist! Die Pralinen liegen noch auf dem Tisch.«
    Papa verdreht die Augen und Mama stöhnt: »Sind die nicht in der Tüte? Ich habe dich doch vorhin gefragt, ob du sie hast.«
    »Nein, da ist nur meine Strickjacke drin«, lüge ich, ohne rot zu werden.
    Wir haben nämlich eine Abmachung getroffen: Wenn ich zwei ganze Wochen weder die Vorschultasche noch meine Zuständigkeiten im Haushalt (einschließlich Mitbringen von Geschenken für Verwandte und Freunde) vergesse, darf keiner in meiner Familie mehr ›Frau Doktor Hastig‹ zu mir sagen. Ein Spitzname, der mich jedes Mal auf die Palme bringt, und um ihn loszuwerden, würde ich so gut wie jede Aufgabe übernehmen.
    Unter dem Vorwand, die Pralinen zu holen, stürme ich nach oben. Vor lauter Hektik treffe ich mit dem Schlüssel erst beim zweiten Versuch in das Türschloss. Ab zur Wäschebox!
    Noch nie zuvor habe ich mich so schnell umgezogen.
    Als ich im neuen Outfit wieder unten ankomme, sind die drei schon bis zur Ecke vorgefahren. Das soll wohl ein Ausdruck ihrer Eile sein. Wie lächerlich. Sie haben wohl mal wieder vergessen, dass ich aus dem Alter raus bin zu denken, sie würden ohne mich fahren. Das zieht vielleicht bei kleinen und noch dazu dummen Kindern – aber nicht bei mir.
    Ich schwinge mich auf mein Rad und brause geschwind los. Als ich endlich bei ihnen bin, schauen Annika und Mama mich an, als wäre ich ein grünes Marsmännchen. Wie abgesprochen schütteln sie mit leicht geöffnetem Mund und aufgerissenen Augen den Kopf.
    Papa steigt auf sein Rad und fährt los. Anscheinend hat er gar nicht gemerkt, dass ich mich umgezogen habe. Wortlos folgen wir ihm zur Dampferanlegestelle.
    An Bord wird Annikas Gesichtsausdruck bei jedem Kompliment zu unserer gleichen Kleidung, sei es vom Kellner oder der alten Dame an der Kuchentheke, ernster und mein Grinsen breiter. Als dann noch Tante Lydia und Onkel Fritz unabhängig voneinander erwähnen, wie niedlich wir doch heute in unserem Schwesternlook aussehen, ist der Tag für mich gerettet.
    Auf dem Rückweg haben Mama und Papa mal wieder nichts Besseres zu tun, als sich zu zanken. Ihre Streitereien eskalieren. Sie schreien sich an. Und wie! Es ist nicht mehr zu ertragen. Im Vergleich dazu sind Annikas und meine Auseinandersetzungen ein Scherz.
    Und wer sind die Leidtragenden? Natürlich Annika und ich. Denn für uns bedeutet dieser Rosenkrieg, heute früher ins Bett gehen zu müssen als gewöhnlich.
    Nun liegen wir hier und können nicht einschlafen. Der Grund dafür ist der ohrenbetäubende Lärm unserer Eltern. Mama brüllt mit all ihrer Kraft durch das ganze Haus: »Schrei hier nicht so rum, die Kinder schlafen!«
    Als Nächstes hören wir einen dumpfen Aufprall.
    »Sag, Mareike, hast du das gehört?«
    »Wenn du den Schlag an der Wand meinst, der war wohl kaum zu überhören.«
    »Was ist denn da bloß durch den Raum geflogen?«
    »Mamas Schuh?«
    »Kann sein.«
    »Falls es der Stiefel mit dem dicken Absatz war, kann Papa von Glück sagen, wenn sie ihn verfehlt hat.«
    Und dann schreit Papa: »Das wagst du nicht noch mal!«
    Dem darauffolgenden Geräusch nach zu urteilen knallt er ihr eine.
    Annika springt aus dem Etagenbett, stürmt zu mir und ist völlig aufgebracht: »Um Gottes Willen!!! Papa hat Mama geschlagen!«
    »Na und?«
    »Mareike! Was heißt da ›na und‹?!? Er hat ihr eine verpasst!«
    Irgendwie verstehe ich ihre Aufregung nicht. »Ja und? Was ist denn

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