Ein Vampir fuer alle Sinne
Augen begann sich eine sonderbare Hitze zu bilden.
»Was ist ein Keratokonus?«, wollte Bricker wissen und stellte sich so neben ihn, dass er eine bessere Sicht hatte.
»Die Hornhaut wird dünner und beult sich kegelförmig nach außen«, antwortete er und blinzelte ein paarmal, da seine Augen zu schmerzen begannen. »Ich trage deshalb auch starre, luftdurchlässige Kontaktlinsen.«
»So was«, murmelte Thomas und sah kurz zu Nicholas, ehe er einen Seufzer ausstieß. »Na ja, die gute Neuigkeit ist die, dass du keine Kontaktlinsen mehr brauchen wirst.«
»Und die schlechte Neuigkeit?«, fragte Paul, der die Augen zukneifen musste, da der Druck immer weiter zunahm.
»Ich glaube, du gehörst zu denen, die die Wandlung heftig und schnell durchmachen. Deine …«
Den Rest bekam Paul nicht mehr mit, da er von den Schmerzen in seinen Augen überwältigt wurde. Es fühlte sich an, als würde jemand Eispickel in die Augäpfel treiben. Ein lauter Aufschrei kam über seine Lippen, während er versuchte, um sich zu schlagen und zu treten, daran aber durch die Ketten gehindert wurde, die ihm kaum Spielraum ließen. Er versuchte an den Ketten zu reißen, um mit den Fingern an seine Augen zu gelangen, doch es war wohl besser, dass ihm das nicht möglich war. Sonst hätte er sich vermutlich die Augen herausgerissen, damit die Tortur endlich ein Ende nahm.
Das Schlimmste an allem war jedoch das Wissen, dass das hier nur der Anfang war.
19
»Ich bin zurück.«
Jeanne Louise hob den Kopf, als sie diese fröhliche Ankündigung vernahm, und bedachte ihre Assistentin Kim mit einem gezwungenen Lächeln. Die zierliche Blondine kam beschwingten Schritts und mit einem breitem Grinsen auf den Lippen ins Labor.
»Mittagessen mit Arthur?«, zog Jeanne Louise sie auf – oder zumindest versuchte sie es. Die Worte kamen ihr aber recht lustlos über die Lippen, was zu ihrer allgemeinen Verfassung passte.
»Mittagessen und mehr.« Kim seufzte glücklich, als sie an den Sterblichen dachte, der Freds Nachfolge beim Sicherheitsdienst angetreten hatte. Die beiden waren sich in den letzten Wochen so nahegekommen, wie es zwischen einer Unsterblichen und einem Sterblichen möglich war, wenn sie keine Lebensgefährten waren. »Er ist der niedlichste kleine Sterbliche auf der ganzen Welt. Und er kann ganz toll küssen. Und andere Dinge kann er auch ganz toll«, fügte sie lachend an. »Ich muss kaum einmal in seine Gedanken eindringen, um ihn zu dirigieren. Er macht das meiste schon von sich aus.«
»Hmm.« Jeanne Louise sah wieder vor sich auf den Tisch. Mit dem Sterblichen, mit dem sie sich ein paarmal getroffen hatte, bevor sie von Paul entführt worden war, hatte sie etwas ganz Ähnliches erlebt. Vermutlich würde es mit ihm auch immer noch so sein, aber mit Sicherheit konnte sie das nicht sagen, da sie ihn nicht mehr gesehen hatte, seit sie Paul verlassen hatte und in ihr altes Leben zurückgekehrt war. Seitdem hatte sie sich überhaupt mit so gut wie niemandem mehr getroffen. Sie mied Freunde und Verwandte wie die Pest, seit sie Paul verloren hatte. Und sie war auch nicht im Geringsten daran interessiert, ihren sterblichen Exliebhaber wiederzusehen.
»Lass das ruhig liegen«, sagte Kim, als sie sich zu ihr stellte. »Ich behalte das im Auge, während du in die Mittagspause gehst.«
»Ich habe keinen Hunger«, gab sie zurück und drehte so lange an der Scharfeinstellung ihres Mikroskops, bis sie nur noch ein völlig verschwommenes Bild sah.
»Gestern hast du auch schon die Mittagspause ausgelassen. Was ist los? Wechseljahrhunderte?«
Jeanne Louise brachte ein schwaches Lächeln zustande, als sie das Wortspiel hörte, mit dem Unsterbliche rechnen mussten, wenn sie die Phase erreichten, in der sie das Interesse an Essen und Sex verloren. Kim zog sie regelmäßig damit auf, wenn sie zu viel zu tun hatte und auf ihre Mittagspause verzichtete. Früher konnte sie auch von Herzen darüber lachen, doch jetzt war ihr nicht mehr so sehr nach Lachen zumute. Das wusste Kim aber nicht, und so wie ihr war auch niemandem sonst etwas über Paul bekannt, den Mann, der ihr Lebensgefährte hätte sein können.
»Jeanne Louise?«
Sie sah die junge Frau an, und als sie deren beunruhigte Miene bemerkte, schob sie ihren Hocker nach hinten und stand auf. »Ja, du hast recht. Ich sollte etwas essen gehen.«
Nach kurzem Zögern nickte Kim zufrieden, auch wenn sie nach wie vor besorgt war. Aber darüber ging Jeanne Louise hinweg und kehrte an ihren
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