Ein Vampir fuer alle Sinne
Leigh behutsam nach und strich dem Mädchen ein paar Strähnen aus dem Gesicht. »Würdest du deine eine Wandlung für deinen Vater hergeben?«
»M-hm«, machte sie und nickte dabei eifrig. »Ich möchte nämlich, dass Jeanne Louise zurückkommt. Daddy war sehr glücklich mit ihr. Und ich war auch glücklich. Und ich will nicht, dass Daddy stirbt.«
»Gut, dann machen wir das so«, verkündete Lucian und stand auf.
Paul konnte noch immer nicht dagegen protestieren.
»Leigh, Schatz, nimmst du Livy schon mit zum Wagen? Ich bin gleich bei dir.«
Sie nickte und erhob sich ebenfalls, dann nahm sie Livy bei der Hand und verließ mit ihr das Esszimmer.
Paul sah den beiden nach und war mit einem Mal mehr verwirrt als verärgert. Er dachte, sie wollten ihn von Livy wandeln lassen. Dass dem nun doch nicht so war, nahm er mit Erleichterung, aber zugleich auch mit Enttäuschung zur Kenntnis. Er wollte gewandelt werden, weil ihm das alles geben würde, was er haben wollte, nämlich Jeanne Louise und Livy. Eine glückliche Familie. Er wollte nur nicht, dass Livy es tat, weil sie dann ihre eine Gelegenheit für eine Wandlung vergab.
»Hältst du mich eigentlich wirklich für so einen kranken Dreckskerl?«, herrschte Lucian ihn empört an, kaum dass Leigh und Livy außer Hörweite waren. »Ich würde von einer Fünfjährigen niemals verlangen, sich ihr Handgelenk aufzubeißen, um den eigenen Vater zu wandeln.«
Paul kratzte sich verblüfft am Kopf. »Ich …« Noch verblüffter war er darüber, dass er plötzlich wieder reden konnte. Lucian hatte seine Kontrolle über ihn zurückgezogen. »Also schön. Aber dann verrat mir doch mal, warum sie dann überhaupt eine solche Frage beantworten muss!«
»Weil sie zustimmen musste«, erwiderte Lucian. »Weil sie laut und deutlich vor Zeugen auf die eine ihr zustehende Wandlung verzichten musste.«
»Sie ist erst fünf«, wandte Paul ein. »Du kannst ihre Antwort nicht als eine verbindliche Willenserklärung auslegen. Sie ist ja nicht mal geschäftsfähig.«
»Doch, das kann ich so auslegen, und das tue ich auch, indem ich die Wandlung für Livy vornehmen werde«, sagte er. »Ich werde zwar die Wandlung an sich vornehmen, aber die geschieht in ihrem Namen.«
»Nein«, gab Paul entschieden zurück. Er durfte seiner Tochter nicht die Wandlung und somit die Chance nehmen, später einmal einen Sterblichen zu wandeln, der ihr Lebensgefährte sein konnte.
»Willst du Jeanne Louise nicht haben?«, fragte Lucian.
Paul hielt inne. Er fühlte sich ernsthaft in Versuchung geführt. Er konnte Livy und Jeanne Louise haben. Er konnte alles bekommen, was er haben wollte. Eine wunderschöne, vor Leben sprühende Frau und eine gesunde, glückliche Tochter. Eine Zukunft, die so rosig sein würde, wie sie erschien. Das alles hätte er haben können. Stattdessen hatte er alles verloren.
»Du hast immer noch Livy.«
Nachdenklich hob Paul den Kopf. »Selbstverständlich«, murmelte er. Er hatte nicht alles verloren, denn er hatte ja noch Livy. Bis vor einem Monat wäre das auch noch genug gewesen. Aber wieso kam es ihm jetzt so vor, als würde das doch nicht genügen? Warum erschien ihm ein Leben ohne Jeanne Louise auf einmal so sinnlos?
»Du könntest immer noch deinen Anspruch auf eine Wandlung an deine Tochter abtreten«, merkte Lucian plötzlich an.
Paul wollte seinen Ohren nicht trauen. »Was?«
»Livy verzichtet auf ihre Gelegenheit zur Wandlung, um stattdessen dich zu wandeln. Sobald du aber gewandelt bist, darfst du selbst einmal einen Sterblichen wandeln. Diesen Anspruch kannst du hier vor Zeugen abtreten, und zwar an deine Tochter. Das heißt für dich natürlich, wenn Jeanne Louise stirbt und du begegnest einer neuen Lebensgefährtin, die eine Sterbliche ist …« Er zuckte mit den Schultern. »In dem Fall hättest du Pech gehabt. Aber Livy wird immer noch einen Sterblichen wandeln können. Verstehst du, was ich dir sage?«
»Ja«, flüsterte Paul und wurde von neuer Hoffnung erfasst. Großer Gott, er konnte Jeanne Louise noch immer zurückbekommen.
»Also, willst du gewandelt werden?«, fragte Lucian mit ernster Miene.
»Natürlich. Ich w…« Weiter kam Paul nicht, da Lucian ihm sein blutendes Handgelenk gegen den Mund drückte. Gleichzeitig hielt er ihm den Kopf fest, damit er nicht zurückweichen konnte. Das alles spielte sich mit einer solchen Geschwindigkeit ab, dass Paul im ersten Moment überhaupt nicht wusste, wie ihm geschah, bis er merkte, dass ihm Blut in den Mund
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