Ein Versprechen aus Afrika
Konkurs anmelden, es sei denn... Es sei denn, man war an dem Lemoine-Verfahren beteiligt, was zum Glück ja der Fall war. Jedenfalls musste er sofort nach London zurückkehren. Doch zuvor hielt er Wort und zog einige Papiere aus der Tasche.
»Sind Sie einverstanden, wenn ich Sie mit einem Scheck bezahle, Monsieur Lemoine? Eine solche Summe trage ich nicht in bar mit mir herum. Und das hier ist unser Teilhabervertrag, den Sie bitte unterschreiben möchten.«
Henri Lemoine nahm gnädig den auf seinen Namen ausgestellten Scheck über 80 000 Pfund entgegen und unterzeichnete den Vertrag, durch den er sich verpflichtete, seine Diamantenproduktion mit der De Beers zu teilen.
In London ließ Sir Julius Wernher auf der Stelle Angus MacPhresp, den leitenden Ingenieur der Firma, kommen, legte die zwanzig kleinen, glitzernden Steine vor ihm auf den Tisch und erklärte ihm ihre Herkunft. »Was halten Sie davon?«
Angus MacPhresp lächelte leicht.
»Ich finde, dass Sie ein schlechtes Geschäft gemacht haben, Sir. Diese Diamanten sind keine 80 000 Pfund wert.«
»Mal im Ernst! Nicht für die habe ich so viel bezahlt, sondern für die Hälfte am Lemoine-Verfahren.«
Nun lächelte der leitende Ingenieur nicht mehr. »Eben, Sir. Ich habe selbst auf diesem Gebiet geforscht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es unmöglich ist, durch elektrische Wärme Diamanten zu erzeugen, es sei denn, man erzielt eine Temperatur von mehreren Millionen Grad, was heutzutage unmöglich ist.«
»Sie glauben also, dass alles nur Schwindel war?«
»Mit Verlaub, Sir, bin ich mir da sogar ganz sicher.«
»Was raten Sie mir?«
»Lassen Sie ihn dasselbe Experiment noch einmal wiederholen, nur diesmal in Anwesenheit eines Profis.«
»Einverstanden. Dann reisen wir gemeinsam nach Paris.«
Angus MacPhresp begann wieder zu lächeln.
»Ich meinte nicht meinen Fachbereich, Sir, sondern seinen. Lassen Sie sich von einem professionellen Zauberkünstler begleiten.«
18. September 1905. Wieder ging es in der kleinen Zweizimmerwohnung in der Rue Lecourbe geschäftig zu. Dieses Mal war sogar eine Person mehr zugegen als beim letzten Mal, ein braun gebrannter Mann, den Julius Wernher als seinen Chefingenieur vorgestellt hatte. Dieser bat darum, den Ofen inspizieren zu dürfen, und erklärte sich nach einer raschen Untersuchung zufrieden. Unbeeindruckt führte Henri Lemoine dasselbe Schauspiel auf wie beim letzten Mal. Er holte zwei kleine Schachteln hervor und schüttete ihren Inhalt in den Ofen. Dabei verkündete er abwechselnd: »Das weiße Pulver! Das schwarze Pulver!«
Er schloss ihn wieder, drückte auf den roten Knopf und erklärte nach einer Weile: »Wenn Sie jetzt bitte öffnen und sich mit eigenen Augen überzeugen würden. Die Steine sind noch heiß.«
Julius Wernher steckte die Hand hinein und hielt sie ihm dann entgegen, um ihm den Inhalt zu zeigen.
»Seit dem letzten Mal haben Sie sich stark verbessert, Monsieur Lemoine. Jetzt stellen Sie schon fertig geschliffene Diamanten her.«
Henri Lemoine unterdrückte einen Fluch. Zwischen der Schlacke lag, abgesehen von zehn kleinen, hellen Steinen, auch ein großer, perfekt geschliffener, der funkelte und glitzerte.
»Dies ist Franck Gregor, der in London unter dem Namen Magicus bekannt ist. Ich habe ihn darum gebeten, genauso wie Sie auch einen Stein hineinzuschmuggeln.«
Der Zauberkünstler nickte.
»Sie selbst haben beim Öffnen des Ofens zugeschlagen. Sie sind ein begabter Amateur, aber nun einmal kein Profi. Es war ziemlich auffällig.«
Henri Lemoine verlor auf einmal seine Selbstsicherheit. Er nahm den Seidenschal ab, um Luft zu holen. »Was haben Sie jetzt vor?«
Julius Wernher warf ihm tödliche Blicke zu, begnügte sich aber zu antworten: »Das überlege ich mir noch.« Daraufhin zog er sich in Begleitung des Zauberkünstlers zurück.
Damit hatte Henri Lemoine unerhörtes Glück, ihm winkte völlige Straffreiheit. Mehrere Tage verstrichen, ohne dass er etwas von Julius Wernher und der De Beers hörte. Offenbar verzichtete der Direktor der Bergbaugesellschaft darauf, Anzeige zu erstatten, um einen Skandal zu vermeiden. Lemoine hatte 90 000 Pfund kassiert, was heutzutage etwa 750 000 Euro entspricht. Eine recht anständige Bezahlung für einen Taschenspielertrick, der nach Ansicht eines Profis nicht einmal gut ausgeführt wurde.
Henri Lemoine war jedoch keiner von denen, die wissen, wann sie aufhören sollten. Er suchte weiter nach Abnehmern für seine Diamanten und wies als
Weitere Kostenlose Bücher