Ein Wirbelwind namens Millie (German Edition)
Schott und befestigte es mit dem Riemen an der Wand. Das konstante Dröhnen des Schiffsmotors erfüllte den Raum im Zwischendeck mit einem dumpfen Geräusch und seltsamen Erschütterungen, die selbst die wogenden Ozeanwellen nicht überdecken konnten.
Isabelle sank auf das untere Bett und ließ ihren Blick durch den trostlosen Raum wandern. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir noch enger zusammengepfercht sein könnten. Millie, wie können wir nur eine ganze Woche hier unten durchhalten?“
Isabelle war die ältere der beiden Schwestern und machte sich immer Sorgen. Doch diesmal musste Millicent zugeben, dass sie auch allen Grund dafür hatte. Es schien, als hätte der Teufel selbst ein paar Ideen beigesteuert, als das unterste Passagierdeck der Opportunity geplant wurde. Mehrere Gruppen von je drei übereinander befestigten schmalen Pritschen hingen überall im sogenannten „Familienraum“. Dünne, nach altem vergammeltem Stroh stinkende Matratzen und eine dünne Decke waren alles an Wärme und Komfort, der den einzelnen Passagieren zustand. Und das war noch der bessere Teil der Unterbringung.
Hier und da hatte ein glücklicher Passagier eine Rettungsweste ergattert, die er als Kopfkissen benutzen konnte. Herr, bitte lass dem Schiff nichts geschehen während der Überfahrt. Es gibt nicht genügend Rettungsboote und Rettungswesten. Wenn das Schiff untergeht, werden wir alle ertrinken.
Ohne die Gedanken ihrer Schwester zu erraten, flüsterte Isabelle Millicent ins Ohr: „Du solltest dich für den Waschraum der Frauen anstellen, damit du deine Turnüre ablegen kannst. Du bist zwar so dünn wie ein Strich, aber die extra Zentimeter von deiner Turnüre haben wir hier einfach nicht. Es ist ja gerade mal ein halber Meter zwischen unseren Pritschen und den nächsten.“
Sofort ergriff Millicent die Gelegenheit, ihre Schwester etwas aufzuheitern, und flüsterte: „Was für eine großartige Idee! Die Turnüre ist doch aus Pferdehaar, dann können wir uns abwechseln und sie als Kopfkissen benutzen.“
„Millie!“
„Millie?“ Frank, Isabelles Ehemann, schob sich durch die Tür und sah sie streng an. „Mit was hast du Isabelle diesmal erschreckt?“ Die tiefen Sorgenfalten um seinen Mund und seine Augen waren sofort wieder zu sehen, nachdem das flüchtige Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden war.
„Isabelle und ich ... denken einfach nur nach. Ich bin sicher, wenn wir unsere Köpfe zusammenstecken, dann fallen uns ganz viele Dinge ein, wie wir die Überfahrt für uns so angenehm wie möglich machen können. Schließlich ist es ja auch nur eine Woche, hab ich nicht recht, Frank?“
Isabelles Mann nickte. „Sei froh, dass Millicent mit uns gekommen ist, Isabelle. Wenn wir alleine mit dem Schiff vorausgefahren wären, hätte ich es niemals zugelassen, dass Milli nachkommt. Stell dir nur vor, Millicent als alleinstehende Frau in dem Bereich für unverheiratete Frauen!“
„Sie hätte lieber die Stelle bei den Grants annehmen sollen. Dann hätte sie Geld gespart, und wir auch, und dann hätten wir zweiter Klasse fahren können.“
„Ich glaube einfach nicht, dass du das gerade gesagt hast.“ Millicent stand abrupt auf und wirbelte herum. Dabei verfing sich ihre Turnüre am Pfosten des Nachbarbetts und sie stürzte direkt auf Isabelles Schoß.
Isabelle schrie erschrocken auf.
Millicent fing an zu lachen und rappelte sich wieder auf. „Siehst du? Das alles hättest du verpasst, wenn ich nicht mitgekommen wäre. Jetzt, da ich hier bin, wird es dir auf der Reise jedenfalls nicht langweilig werden.“
In der Nähe brach ein Streit aus. Frank murmelte: „Ich bräuchte gar nicht so viel Unterhaltung.“
„Ihr seid die einzige Familie, die ich noch habe.“ Millicent setzte sich neben ihre Schwester, da es sonst keinen Platz gab. Sie sah ihre Schwester eindringlich an. „Wir haben uns gegenseitig versprochen –“
„Dass wir immer zusammenbleiben“, beendete Isabelle den Satz.
„Und das werden wir auch!“ Millicent beugte sich vor, um ihren Schwager anzuschauen. „Deshalb solltet ihr auch beide sofort aufhören, euch zu wünschen, dass ich nicht mitgekommen wäre, sonst bin ich tief beleidigt. Nein, dann werde ich richtig böse.“
Ein schiefes Lächeln löste die Anspannung in Franks Gesicht etwas. „Ich bin mir mittlerweile gar nicht mehr so sicher, ob du überhaupt böse werden kannst.“
Millie lachte. „So, und nun erzähl es uns: Was hast du herausgefunden?“
Die Sorgenfalten
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