Eine dunkle Geschichte (German Edition)
beiden Herren im Schlosse speisen; sie mögen alles durchsuchen, sie werden weder Ludwig XVIII. noch irgendein Anzeichen finden.«
»Oho!« sagte Grévin, »welches Spiel spielst du denn?«
»Nun, mein Freund, ein Doppelspiel ist recht gefährlich, aber in bezug auf Fouché ist es ein dreifaches Spiel. Er hat vielleicht gewittert, daß ich die Geheimnisse des Hauses Bourbon kenne.«
»Du?«
»Ich«, entgegnete Malin.
»Hast du Favras vergessen?«
Dies Wort machte dem Staatsrat Eindruck.
»Und seit wann?« fragte Grévin nach einer Pause.
»Seit dem Konsulat auf Lebenszeit.«
»Und doch keine Beweise ?«
»Nicht so viel«, sagte Malin und machte die übliche Gebärde mit dem Daumennagel.
In kurzen Worten entwarf Malin ein deutliches Bild der kritischen Lage, in die Bonaparte England brachte, das durch das Lager von Boulogne auf Tod und Leben bedroht war. Er erklärte Grévin die in Frankreich und Europa unbekannte, aber von Pitt geahnte Tragweite dieses Landungsplanes, dann die kritische Lage, in die England Bonaparte bringen wollte. Eine gewaltige Koalition, Preußen, Österreich und Rußland, sollte, mit englischem Gelde bezahlt, siebenhunderttausend Mann unter die Waffen bringen. Zugleich spannte im Innern eine furchtbare Verschwörung ihr Netz und vereinigte die Bergpartei, die Chouans, die Royalisten und ihre Prinzen.
»Solange Ludwig XVIII. drei Konsuln sah, glaubte er, die Anarchie gehe weiter und er könne mit Hilfe irgendeiner Bewegung Rache für den 13. Vendémiaire und den 18. Fructidor nehmen«, sagte Malin. »Aber das Konsulat auf Lebenszeit hat Bonapartes Pläne enthüllt; bald wird er Kaiser sein. Dieser ehemalige Leutnant trägt sich mit dem Gedanken, eine Dynastie zu gründen! Nun, diesmal will man ihm ans Leben, und der Streich ist noch geschickter angelegt als der in der Rue Saint-Nicaise. Pichegru, Georges, Moreau, der Herzog von Enghien, Polignac und Rivière, die beiden Freunde des Grafen von Artois, sind beteiligt.«
»Was für ein Gemisch!« rief Grévin.
»Frankreich wird heimlich überfallen, man will von allen Seiten anstürmen, man wird kein Mittel unversucht lassen. Hundert Leute, die den Anschlag ausführen, von Georges geführt, sollen die Leibwache des Konsuls und den Konsul Mann gegen Mann angreifen.«
»Gut, denunziere sie!«
»Seit zwei Monaten halten der Konsul, sein Polizeiminister, der Präfekt und Fouché einen Teil dieses Riesengewebes in Händen, aber sie kennen seine ganze Ausdehnung nicht, und im Augenblick lassen sie fast alle Verschworenen frei herumlaufen, um alles zu erfahren.«
»Was das Recht betrifft,« versetzte der Notar, »so haben die Bourbonen wohl eher das Recht, ein Unternehmen gegen Bonaparte anzuzetteln, zu leiten und auszuführen, als Bonaparte das Recht hatte, am 18. Brumaire gegen die Republik zu konspirieren, deren Kind er war. Er mordete seine Mutter, sie aber wollen wieder in ihr Haus. Ich verstehe, daß die Prinzen, als die Emigrantenlisten geschlossen wurden, als die Streichungen zunahmen, der katholische Kult wieder eingeführt wurde und die gegenrevolutionären Erlasse sich häuften, begriffen haben, daß ihre Rückkehr schwierig, ja unmöglich würde. Bonaparte wird zum einzigen Hindernis ihrer Rückkehr, und dies Hindernis wollen sie wegräumen; nichts ist einfacher. Werden die Verschwörer besiegt, so sind sie Räuber. Siegen sie, so sind sie Helden, und deine Ratlosigkeit scheint mir da ganz natürlich.«
»Es handelt sich darum,« sagte Malin, »den Bourbonen den Kopf des Herzogs von Enghien zuwerfen zu lassen, wie der Konvent den Königen den Kopf Ludwigs XVI. zugeworfen hat, um ihn so tief wie uns in den Strom der Revolution zu tauchen; oder darum, den jetzigen Götzen des französischen Volkes und seinen künftigen Kaiser zu stürzen, um den wahren Thron auf seinen Trümmern aufzurichten. Ich bin der Spielball eines Ereignisses, eines wohlgezielten Pistolenschusses, einer Höllenmaschine der Rue Nicaise, die im rechten Augenblick explodiert. Man hat mir nicht alles gesagt. Man hat mir vorgeschlagen, im kritischen Augenblick den Staatsrat einzuberufen und die Wiedereinsetzung der Bourbonen gesetzlich in die Wege zu leiten.«
»Warte ab«, entgegnete der Notar.
»Unmöglich! Mir bleibt nur noch dieser Augenblick, um einen Entschluß zu fassen.«
»Und warum?«
»Die beiden Simeuses sind im Komplott und in der Gegend. Ich muß sie entweder verfolgen lassen, damit sie sich bloßstellen und ich sie loswerde, oder ich muß sie
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