Eine dunkle & grimmige Geschichte
sehen. Zuerst verlangte er es. Aber Johannes verwehrte es ihm. Dann befahl er es. Doch Johannes weigerte sich. Dann bekam der junge König einen Wutanfall und warf sich schreiend auf den Boden, was sehr unschicklich für einen jungen Mann seines Alters ist.
Am Ende erkannte der treue Johannes, dass er machtlos war. Er verzog sein altes, verrunzeltes Gesicht und schloss die Tür auf.
Der König stürzte in das Zimmer und stand vor dem schönsten Porträt der wunderschönsten Frau, die er in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Ihr Haar sah aus, als sei es aus purem Gold. Ihre Augen leuchteten wie das Meer an einem sonnigen Tag. Nur ihren Mund umgab ein Zug von Trauer und Einsamkeit.
Der junge König sah sie an und sackte ohnmächtig zusammen.
Als er wieder zu sich kam, lag er in seinem Bett. Der treue Johannes wachte über ihn. »Wer war diese strahlende Erscheinung?«, fragte der junge König.
»Das, Majestät, ist die Goldene Prinzessin«, antwortete Johannes.
»Sie ist die schönste Frau der Welt«, entgegnete ihm der König.
Und Johannes antwortete: »Ja, das ist sie.«
»Und trotzdem sieht sie traurig aus. Warum?«
Johannes seufzte und antwortete: »Junger König, die Prinzessin ist verflucht. Alle Männer, die um ihre Hand anhalten, müssen sterben; und es heißt, dass ein Schicksal, schlimmer als der Tod, auf ihre Kinder wartet, sollte sie jemals welche haben. Sie lebt völlig allein in einem schwarzen, von einem goldenen Dach gekrönten Marmorpalast. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, ist sie furchtbar einsam und unendlich traurig.«
Der König setzte sich ruckartig in seinem Bett auf und zog den treuen Johannes zu sich. Während er in das Gesicht des alten Mannes blickte, sah er die meerblauen Augen der traurigen Prinzessin vor sich. »Ich muss sie haben«, rief er. »Ich werde sie heiraten. Ich werde sie retten.«
»Ihr könntet dabei sterben«, sagte Johannes.
»Ich werde überleben, wenn du mir hilfst. Und das ist deine Pflicht als mein treuer Diener.«
Johannes sorgte sich um das Leben des jungen Königs.Aber er war seinem Vater, dem Vater seines Vaters und dem Vater des Vaters seines Vaters treu gewesen. Was konnte er also machen?
Johannes seufzte. »Ich werde es tun.«
Es war überall bekannt, dass Gold der einzige Trost der einsamen Prinzessin war. So erklärte Johannes dem König, er solle alles Gold im Königreich sammeln und seine Goldschmiede beauftragen, daraus die schönsten Kunstwerke der Welt zu fertigen. Und so geschah es.
Dann verkleidete Johannes sich und den König als Kaufmänner und ließ die goldenen Kostbarkeiten an Bord eines Schiffes bringen. Und sie machten sich auf in das Land der Goldenen Prinzessin.
Als sie in See stachen, belehrte Johannes den König über seine Rolle: »Ihr seid ein Goldhändler, Majestät. Die Prinzessin hat schon immer Gold geliebt, und momentan ist es das Einzige auf der Welt, das sie erfreut. Wenn ich sie also auf das Schiff bringe, verzaubert Ihr die Prinzessin nicht nur mit Euren guten Manieren und Eurem blendenden Aussehen, sondern vor allem mit dem Gold. Dann wird sie vielleicht bald Euch gehören, Majestät.«
Als sie das Land der Goldenen Prinzessin erreichten, bereitete der König das Schiff auf ihre Ankunft vor. Währenddessen verstaute Johannes einige kleine goldene Kunstwerke in seiner Tasche und machte sich auf den Weg zu der Festung aus schwarzem Marmor. Er betrat den Innenhof und sah eine Dienerin, die mit einem goldenen Eimer Wasser aus einem Brunnen schöpfte.
»Schöne Maid«, sagte er, sein zahnloses Lächeln lächelnd. »Könnte sich deine Herrin für so unbedeutende Arbeiten aus Gold interessieren wie diese hier?« Und er zeigte ihr zwei der herrlichsten und kostbarsten Figuren, die je von Menschenhand gemacht worden waren.
Das Mädchen war fasziniert von ihnen. Sie ergriff sie und eilte in den Palast. Keine zehn Minuten später kam die Goldene Prinzessin mit den Figuren in der Hand aus dem Schloss.
Sie war genauso schön wie auf dem Bild – vielleicht sogar noch schöner. Als sie Johannes begrüßte, leuchtete ihr goldenes Haar im Licht, und ihre meerblauen Augen funkelten vor Freude. Aber um ihre Lippen lag ein trauriger Zug.
»Sagen Sie mir, alter Mann«, fragte sie, »sind diese Kostbarkeiten wirklich zu verkaufen? Ich habe noch nie etwas so Wunderbares und so Edles gesehen.«
Johannes beugte sich vertrauensvoll vor. »Es gibt noch mehr davon, Prinzessin, noch viel mehr. Das Schiff meines Herrn ist über und über
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