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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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gingen die hungrigen Kinder auf das Haus zu.
    »Ich habe Hunger«, sagte Hänsel.
    »Ich auch«, stimmte Gretel zu.
    »Es sieht wie Kuchen aus«, sagte Hänsel.
    »Es riecht wie Kuchen«, stimmte Gretel zu.
    »Lass es uns anknabbern!«, rief Hänsel.
    »Mmmggrgmmm!« Gretel wollte zustimmen, aber sie hatte den Mund bereits voll mit saftigem Kuchen.
    Da öffnete sich die Tür des Hauses und eine Frau mit einer Bäckerschürze tauchte vor der Tür auf. »Wer isst von meinem Haus?«, schrie sie.
    Hänsel versteckte eine Handvoll Kuchen hinter seinem Rücken und Gretel blickte mit schokoladenverschmiertem Gesicht erschrocken auf.
    »Niemand«, sagte Hänsel. Gretel nickte und schluckte den letzten Bissen herunter.
    Das Gesicht der Bäckersfrau entspannte sich wieder, als sie die beiden Kinder sah. »Was macht ihr mitten im Moor? Ihr müsst euch verlaufen haben. Seid ihr hungrig?«
    Gretel nickte wieder und versuchte, eine weitere Handvoll Kuchen aus der Hauswand zu brechen.
    »Hört auf, mein Haus zu essen!«, lachte die Bäckerin. »Kommt rein, ich bereite euch ein richtiges Frühstück!«
    Die Kinder folgten ihr nach drinnen und sie machte ihnen Gänseeier und Wildschweinschinken und brachte ihnen Brot mit Butter. Nach dem Frühstück waren sie so satt und so erschöpft, dass die nette Bäckersfrau sie in ihr Bett legte und sie den ganzen Tag schlafen ließ.
    Als sie aufwachten, fanden sie Würstchen, Kartoffeln und kalte Milch für sie bereitstehen.
    »Ich habe gar keinen Hunger«, sagte Hänsel.
    »Aber ihr müsst essen. Nur so werdet ihr wieder kräftig!«, sagte die Bäckersfrau.
    Und so aßen die Kinder. Das Essen war köstlich.
    Die Bäckersfrau fragte die Kinder nach ihren Namen.
    »Das ist Gretel«, sagte Hänsel und schob sich eine riesige Portion Kartoffeln in den Mund. »Und ich bin ihr Bruder Hänsel.«
    Dann wollte die Bäckersfrau wissen, wie sie zu ihrem Haus gelangt waren. Die beiden wollten der Frau auf keinen Fall erzählen, dass sie die Kinder des Königs waren. Sie befürchteten, dass die Frau sie dann zu ihren mörderischen Eltern zurückbringen würde. Aber sie erzählten ihr, dass ihre Eltern ihnen die Köpfe abgeschlagen hätten (was die Bäckersfrau nicht glaubte). Und sie sagten, dass sie aufder Suche nach einer Familie wären, in der so etwas nie wieder vorkommen würde.
    »Und wo wir Kuchen essen können, wann immer wir wollen«, fügte Gretel voller Hoffnung hinzu.
    Die Bäckersfrau lächelte und brachte einen riesigen Schokoladenkuchen.
    »Hurra!«, rief Hänsel.
    Gretel stopfte sich den Mund voll.
    Die beiden Kinder blieben mehrere Wochen bei der Bäckersfrau. Jeden Tag aßen sie drei große Mahlzeiten und etwas Süßes zwischen dem Mittagessen und dem Abendbrot und vor dem Schlafengehen. Sie konnten essen, was und so viel sie wollten, und das taten sie. Gretel stopfte Schokoladenkuchen in ihren Mund und verteilte die Schokolade wie Kriegsbemalung über ihre rosaroten Wangen. Hänsel tat es ihr nach.
    Eines Nachts, als die Kinder mit furchtbaren Bauchschmerzen im Bett lagen, sagte Hänsel zu seiner Schwester: »Glaubst du, wir sind im Himmel? Die Bäckersfrau macht die ganze Arbeit im Haus, und wir können so viel essen, wie wir wollen, und müssen nie einen Finger krumm machen.«
    »Ich glaube, wir sind im Himmel«, sagte Gretel.
    Dann sagte Hänsel: »Vermisst du unsere Eltern manchmal, Gretel?«
    Gretel versuchte darüber nachzudenken, aber sie konnte sich nicht konzentrieren, denn sie war zu sehr damit beschäftigt, die Wand anzuknabbern.
    Natürlich waren Hänsel und Gretel nicht im Himmel. Denn ihr wisst ja, dass die Bäckersfrau plante, die beiden zu essen.
    Sie war gar keine Hexe. Die Brüder Grimm nannten sie zwar eine Hexe, aber das entsprach nicht der Wahrheit. Sie war eine ganz normale Frau, die ungefähr um die Geburt ihres zweiten Kindes herum etwas herausgefunden hatte: Sie mochte Hühnchen und Rind- und Schweinefleisch, aber am liebsten mochte sie Kinderfleisch.
    Ich wette, ihr könnt euch vorstellen, wie sie das herausfand. Als ich klein war, sagte meine Mutter immer: ›Du bist so süß! Diese kleinen Ärmchen! Und die kleinen Beinchen! Und das kleine Popochen!‹ Und dann sagte sie immer: ›Ich hab dich zum Fressen gern!‹ Und es hörte sich an, als würde sie es auch so meinen.
    Hat deine Mutter jemals so etwas zu dir gesagt? Die meisten Eltern sagen solche Sachen die ganze Zeit. Das ist ganz normal. Aber passt bloß auf, dass sie euch niemals wirklich

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