Eine Freundin zum Anbeissen
gleich mal das Eis brechen, aber traf nur auf seine Nackenstütze. Elvira, hörst du das? Der Kerl trägt eine Nackenstütze! Das ist doch nicht fair! Ich war so perplex, dass ich schnell wieder den Abflug machte. Danach war ich nicht nur hungrig, sondern dazu noch wütend. Na ja, und dann habe ich mir zum Trost eine Ratte gegönnt. Da weiß Vampir, was er hat. Sie tragen im Normalfall keine Nackenstützen.«
Elvira Tepes starrte ihren Mann an. »Du hast versucht, meinen Vermieter zu beißen?«
Herr Tepes zuckte die Schultern. »Ich sag ja, es war nichts weiter dabei.«
Elvira Tepes fielen bald die Augen raus. »Mihai! Du kannst hier nicht nachts durch die Gegend fliegen und in irgendwelche Menschen beißen.«
»Ich habe ihn ja nicht gebissen.«
»Aber du wolltest!«
»Was blieb mir denn anderes übrig?«
Elvira Tepes sah ihren Mann verwirrt an. »Ihn vielleicht einfach in Ruhe zu lassen?«
»Dann hätte er vielleicht einfach meine Frau in Ruhe lassen sollen«, erwiderte Herr Tepes und verschränkte die Arme. »ER hat angefangen, nicht ICH!«
Silvania und Daka hatten aufgehört zu lachen und das Gespräch mit großen Augen verfolgt. Es war nicht das erste Mal, dass Herr Tepes eifersüchtig war. Es war auch nicht das erste Mal, dass er Elviras Verehrer einen klärenden nächtlichen Besuch abstattete. Und es war nicht das erste Mal, dass ihre Eltern deswegen stritten. Sie wussten, dass sich ihre Eltern versöhnen würden. Trotzdem fand Silvania das Gespräch aufregend. Es gab einfach nichts Spannenderes als glühende Leidenschaft, Eifersucht und Liebesdramen. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt und lauschte mit heißen Ohren.
Daka dagegen hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Es war einfach peinlich, wie sich ihre Eltern aufführten. Sie waren schließlich Eltern – wieso benahmen sie sich wie Teenager in einem Liebesfilm? Daka räusperte sich. »Könntet ihr den Rest vielleicht im Wohnzimmer klären?«
Herr und Frau Tepes sahen erstaunt auf. Sie hatten offenbar vollkommen vergessen, wo sie waren. »Oh, entschuldigt, natürlich«, sagte Frau Tepes schnell.
»Aber macht die Terrassentür vorher zu«, riet Daka.
»Und nehmt Rattatoi mit«, sagte Silvania.
Ein paar Sekunden später verließen Herr Tepes, Frau Tepes und Rattatoi den Raum.
Silvania seufzte und ließ sich auf ihr Metallbett fallen. »Ist das nicht ein wahnsinnig romantischer Liebesbeweis?«
Daka kratzte sich mit einem Drumstick am Kopf. »Was? Dass sie Rattatoi mitgenommen haben?«
»Gumox! Ich meine natürlich den Biss. Stell dir vor, du hättest einen Freund –«
»Warte mal.« Daka hob die Hand. »Du meinst so einen richtigen Freund, der einen mit feuchten Händen anfasst, ständig knutschen will und vor Liebesplemplem schielt? Das kannst du vergessen!«
»Stell es dir doch einfach mal vor. Ihr müsst euch ja nicht anfassen und knutschen. Dann habt ihr eben eine platonische Beziehung.«
»Hat das was mit Plateauschuhen zu tun? So von wegen mehr Abstand zueinander?«
Silvania verdrehte die Augen. »Nein. Platonische Liebe ist Liebe ohne Anfassen. Dabei geht es mehr um so etwas wie seelische Verbundenheit.«
Daka überlegte einen Moment. »Okay. Das kann ich mir vielleicht vorstellen. Ich habe also einen Plateaufreund. Und dann?«
»Stell dir vor, dass dieser Freund dich so sehr liebt, dass er total eifersüchtig auf alle anderen Jungen ist, und ...«
»Was denn für andere Jungen?«
»Na, alle anderen eben. Vor allem die, die auf dich stehen. Und wenn sie dir zu nahe kommen – zack! –, dann beißt dein Freund zu!«
Daka schnalzte mit der Zunge. »Cool.«
Silvania nickte. Die Mädchen saßen einen Moment da und hingen ihren Gedanken nach. Silvania sah einen großen, dunkelblonden Jungen vor sich (komischerweise ähnelte er dem Jungen, den sie an der Rolltreppe getroffen hatte). Unter einer Trauerweide an einem See gestand er ihr bei Vollmond seine Liebe, seine Eifersucht und den Biss.
Daka stellte sich einen schwarzhaarigen, jungen Vampir vor (er ähnelte dem Sänger von Krypton
Krax). Sie malte sich die Eifersuchtstat genau aus. Ihr junger Plateaufreund schlich sich von hinten an den anderen Jungen heran, riss den Mund auf und bohrte seine makellosen Eckzähne in den blassen Hals des Jungen. Schmatz!
Silvania erwachte als Erste aus ihrem Tagtraum. »Das Blöde ist nur, dass wir nicht mehr in Bistrien, sondern in Bindburg sind. Ich glaube, hier ist es eher ungewöhnlich, dass ein Mann einen anderen aus
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