Eine Handvoll Dunkelheit
anderen; ich werde euch alle verschlingen.“ Sie öffnete weit ihren Mund, und er erblickte ihre scharfen, gezackten, totenbleichen Zähne.
„Und du wirst über die Toten herrschen“, sagte Johnny, und er traf sie mit aller Kraft am Kinn. Sie wurde zurückgeschleudert, fiel und war mit einemmal wieder auf den Beinen und stürzte auf ihn zu. Bevor sie ihn erreichte, wich er zur Seite, erhaschte einen Blick auf ihr verzerrtes, aufgelöstes Gesicht, die Platzwunde – und dann öffnete sich die Tür und St. Cyr und Harvey erschienen in Begleitung von zwei Schwestern. Kathy blieb stehen. Er ebenfalls.
„Kommen Sie, Barefoot“, sagte St. Cyr und winkte.
Johnny durchschritt das Zimmer und schloß sich ihnen an.
Kathy ließ den Saum ihres Morgenmantels durch ihre Finger gleiten und erklärte nüchtern: „Also war alles geplant; Johnny soll mich töten. Und ihr anderen werdet danebenstehen und euch daran vergnügen.“
„Sie haben draußen im Raum einen riesigen Sender“, stieß Johnny hervor. „Sie haben ihn vor langer Zeit dahingeschafft, vielleicht schon vor Jahren. Die ganze Zeit haben sie auf Louis’ Tod gewartet; vielleicht haben sie ihn am Schluß sogar getötet. Sie wollten Garns Nominierung und Wahl erreichen, indem sie alle anderen mit diesen Sendungen terrorisierten. Sie ist krank, viel kränker, als wir geahnt haben, sogar kränker, als Sie dachten. Das meiste spielte sich im verborgenen unter der Oberfläche ab.“
St. Cyr zuckte die Achseln. „Nun, man wird sie entmündigen.“ Er wirkte ruhig, sprach aber ungewöhnlich langsam. „Im Testament stehe ich als Vormund; ich kann das Verfahren gegen sie einleiten, die Einweisungspapiere ausstellen und dann für ihre Unterbringung sorgen.“
„Ich werde eine Gerichtsverhandlung verlangen“, erklärte Kathy. „Ich kann die Richter von meiner geistigen Gesundheit überzeugen; es ist wirklich einfach, und ich habe das schon einmal gemacht.“
„Möglich“, gab St. Cyr zu. „Aber auf jeden Fall wird der Sender ausgeschaltet sein; bis zur Gerichtsverhandlung werden sich die Behörden darum gekümmert haben.“
„Es wird Monate dauern, ihn zu erreichen“, entgegnete Kathy. „Selbst mit dem schnellsten Schiff. Und dann wird die Wahl vorbei und Alfonse Präsident sein.“
St. Cyr warf Johnny Barefoot einen Blick zu. „Vielleicht“, murmelte er.
„Darum haben wir ihn so weit draußen installiert“, fuhr Kathy fort. „Es war Alfonses Geld und mein Geschick; ich habe Louis’ Geschick geerbt, wie Sie sehen. Ich kann alles erreichen. Für mich ist nichts unmöglich; ich muß es nur richtig wollen.“
„Du wolltest, daß ich springe“, erinnerte Johnny. „Und ich habe es nicht getan.“
„Du wärest gesprungen“, versicherte Kathy, „eine Minute später. Wenn die nicht hereingeplatzt wären.“ Sie schien* ihre Fassung zurückgewonnen zu haben. „Möglicherweise wirst du es noch tun; ich werde dich nicht in Ruhe lassen. Und es gibt keinen Ort, an dem du dich verstecken kannst; du weißt, daß ich dir folgen und dich finden werde. Euch alle drei.“ Ihr Blick glitt von einem zum anderen, ließ keinen aus.
„Auch ich besitze etwas Macht und Besitz“, bemerkte Harvey. „Ich glaube, wir können Garn schlagen, selbst wenn er nominiert wird.“
„Sie haben Macht“, stimmte Kathy zu, „aber keine Phantasie. Es reicht nicht. Nicht bei mir.“ Sie sprach schnell, mit völliger Selbstsicherheit.
„Gehen wir“, sagte Johnny, und er ging den Korridor hinunter, fort von Zimmer 309 und Kathy Egmont Sharp.
Die steilen Straßen von San Francisco wanderte Johnny hinauf und hinunter, ignorierte die Gebäude und die Menschen, sah nichts, sondern ging nur weiter und weiter. Der Nachmittag endete, machte dem Abend Platz; die Lichter der Stadt flammten auf, und auch sie ignorierte er. Er wanderte von Block zu Block, bis seine Füße schmerzten und brannten, bis er bemerkte, daß er sehr hungrig war – zehn Uhr nachts, und seit dem Morgen hatte er nichts mehr gegessen. Dann blieb er stehen und blickte sich um.
Wo waren Claude St. Cyr und Phil Harvey? Er konnte sich nicht daran erinnern, sich von ihnen getrennt zu haben; er erinnerte sich nicht einmal daran, aus dem Krankenhaus gegangen zu sein. Aber Kathy; an sie erinnerte er sich. Es war zu wichtig, als daß er das jemals vergessen durfte, er, der er einer der Zeugen war und verstanden hatte.
An einem Zeitungsstand entdeckte er die riesigen schwarzen Schlagzeilen.
GAM NOMINIERT.
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