1324 - Der Angriff
Gewalt war ihnen selbst nichts Fremdes, doch sie empfanden es als schlimm, dass sich dieses Bild in einem Spiegel, der zugleich ein transzendentales Tor war, abzeichnete und ihnen somit bewies, dass auch sie nicht mehr unantastbar waren.
Der ungewöhnliche Spiegel an der Wand ihrer Hütte wirkte wie der Bildschirm eines Raumschiffs, auf dem sich das abzeichnete, was sich in einer fernen Galaxis abspielte.
Fern war das Bild auch und trotzdem nah, und es zeigte ihnen, dass auch ihre Macht Grenzen hatte.
Im Hintergrund stand er – der Schwarze Tod!
Ein riesiges dunkles Skelett. Bewaffnet mit einer mächtigen Sense, deren Klinge wie eine polierte Glasscherbe schimmerte und auch an einer gewissen Stelle einen sanften roten Streifen bekommen hatte.
Es war der Widerschein der roten Glut, die sich in seinen Augen festgesetzt hatte. Schaurig sahen sie aus. Höllenfeuer schien sich darin zu vereinigen, und die Augen waren starr nach vorn gerichtet.
Ebenso wie die seiner Helfer, die den Schwarzen Tod umschwebten. Kleine fliegende Monster mit breiten Mäulern und scharfen Gebissen. Die kompakten Körper wurden von zwei Flügeln flankiert, die an die Schwingen von Fledermäusen erinnerten, aber die Körper selbst sahen anders aus. Nichts hatten sie mit denen von Fledermäusen gemein. Sie waren kompakt und erinnerten an Rollen, über deren Haut eine grünliche Schutzschicht lag.
»Es stimmt also«, flüsterte Justine Cavallo, die blonde Bestie. »Es stimmt wirklich.«
»Was meinst du damit?«
»Dass er uns angreifen will.« Sie musste plötzlich schrill lachen.
»Er will tatsächlich hinein in unsere Welt.«
»Und dann?«
»Wird er versuchen, sie zu zerstören, Will.«
Mallmann sagte nichts. Normalerweise hätte er gelacht, weil er bisher die von ihm aufgebaute Vampirwelt als unzerstörbar angesehen hatte. Er hatte sich hier unter seinen zahlreichen Dienern sehr wohl gefühlt. Die Blutsauger lebten in der immer währenden fahlen Dunkelheit in den Höhlen oder Buden. In Spalten und Grüften unter der Erde hausten sie und warteten an all diesen Stellen auf frisches Menschenblut, mit dem Justine Cavallo sie versorgte.
Das alles war wunderbar gelaufen. Es hatte nie Probleme gegeben, nun aber sah es anders aus. Ein Angriff stand bevor, und im Mittelpunkt hielt sich der Schwarze Tod auf.
Einer, der längst vernichtet war, es jedoch geschafft hatte, wieder in den Kreislauf des Grauens zurückzukehren. Er war die Bösartigkeit in Person, der große Menschenverächter. Er wollte nicht nur die Macht über die Menschen, sondern auch die über andere dämonische Reiche, um schließlich der absolute Herrscher zu sein.
»Und mit uns fängt er an«, flüsterte Justine.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts, Will.«
»Können wir ihn stoppen?«
Beinahe hätte Justine Cavallo gelacht, als sie diese Frage aus dem Mund des Supervampirs hörte. Es war so irreal für sie, so verkehrt.
Ausgerechnet er, der wirklich vor keinem Furcht hatte, stellte diese Frage. Zu Recht wie sie zugeben musste, denn ihre Vampirkräfte reichten wahrscheinlich nicht aus, um das düstere Gebilde mit seinen Helfern zu stoppen. Sie hatten sich vorgenommen, diese Welt zu übernehmen, und das würden sie auch eiskalt durchziehen.
Im Moment waren beide ratlos, aber Dracula II, auf dessen Stirn das D glühte, fand eine Lösung. »Wir werden nicht aufgeben«, versprach er, »wir werden an unsere Stärke glauben. Das habe ich mir geschworen. Was ist mit dir?«
»Du kannst auf mich zählen.«
»Sehr gut. Wie machen wir es?«
»Wir lassen sie kommen.«
»Und was ist mit ihm?«
Justine lachte. »Ich kenne ihn nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass er seine Helfer nicht grundlos mitgebracht hat. Ich denke mir, dass er sie vorschicken will. Er selbst bleibt zunächst im Hintergrund. Einer wie er hat sich zuvor informiert. Er weiß, dass wir nicht allein hier in unserem Reich existieren. Er wird von unseren zahlreichen Artgenossen wissen. Es wird ihm klar sein, dass sie sich auf unsere Seite stellen werden und dass er sie aus dem Weg räumen muss. Genau deshalb hat er seine verfluchte Armee mitgebracht.«
Mallmann sprach kein einziges Wort dagegen. So wie die blonde Bestie hatte er ebenfalls gedacht. Der Schwarze Tod schlug nicht einfach nur zu, nein, auch er verfolgte einen Plan und war so mit den Menschen zu vergleichen.
Dracula II versuchte zudem, sich in seine Lage zu versetzen.
Wenn es ihm gelang, die Vampirwelt in den Griff zu bekommen, besaß er ein
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