Eine Hexenmutter erzählt: Mystisches Märchen um ein uraltes Familiengeheimnis (German Edition)
litt unter einer seltsamen Krankheit: Jede Nacht wurde er von schrecklichen Träumen heimgesucht, die ihm die Kräfte raubten und jede Lebensfreude aus ihm heraus saugten.
Tagsüber wanderte er ziellos durch die Burg .
Die Bediensteten bekreuzigten sich, wenn er wie ein Schlafwandler an ihnen vorüber ging.
Von seiner Umgebung nahm er nicht viel wahr und wenn man ihn ansprach, wusste er selten, wo er sich gerade befand.
Olaf verlor immer mehr Gewicht.
Seine Familie machte sich große Sorgen. Graf Armand ließ von Nah und Fern alle Ärzte und Heiler kommen, aber niemand wusste Rat.
Erik, der andere Sohn, war sehr eifersüchtig wegen der ganzen Aufmerksamkeit, die Olaf bekam.
Oft verspottete er den armen Olaf und spielte ihm manchen gemeinen Streich.
So vergingen einige Jahre, ohne das eine Besserung eingetreten wäre.
Erik wurde zum Mann und er heiratete eine sehr schöne Frau. Sie war die Tochter eines schwarzen Magiers und einer bösen Hexe.
Auch sie hatte magische Kräfte, die sie nur zu ihrem Vorteil einsetzte. Um Erik zu heiraten spielte sie die brave Ehefrau. Doch sie war sehr ehrgeizig: Gräfin wollte sie sein! Nur war der alte Graf noch im Weg.
Dieses kleine Problem würde sie schon beseitigen.
Die Wochen und Monate gingen ins Land. Graf Armand verspürte seit einigen Tagen nach den Mahlzeiten ein leichtes Unwohlsein, aber da er schon älter war, machte sich niemand darüber Gedanken. Solange die Magenschmerzen nicht schlimmer würden, deutete alles auf normale altersbedingte Verdauungsstörungen hin.
Aber mit jedem Tag wurden die Krämpfe heftiger. Immer häufiger behielt der Graf seine Nahrung nicht bei sich und seine Kräfte schwanden von Tag zu Tag. In der Burg wurde schon von einem bösen Fluch gemunkelt… erst erkrankte Olaf und nun der Graf !
Überall wurde getuschelt. In der Küche war es am schlimmsten.
“Der Exorzist muss her!”, schimpfte die Köchin. Sie war eine fromme Seele und glaubte fest an die Kraft der heiligen Kirche.
“Der Exorzist?”, der Haushofmeister war entrüstet. “Dieser fette Herr schlägt sich den Bauch voll, fuchtelt mit dem Weihwasser herum und bringen tut das alles nichts! Ich sage euch, gegen schwarze Magie kann nur weiße Magie helfen. Die größte weiße Hexe weit und breit wohnt nicht nur hier im Dorf! Sie kommt sogar zu jedem, der Hilfe braucht. Ihr wisst wen ich meine!” Zustimmendes Gemurmel antwortete aus allen Ecken der großen Burgküche.
Ja , jedermann hatte schon von ihr gehört! Und nicht wenige hatten sie schon um Rat und Hilfe gebeten.
In dem kleinem Weiler, nahe der Burg, lebte diese junge Frau.
Sie hatte die seltene Gabe, einem Menschen nur in die Augen zu sehen und schon wusste sie, woran dieser Mensch litt.
Ihr Wissen über die Heilkraft der Kräuter, von enormem Umfang, seit Jahrhunderten erprobt und vermehrt und von der Mutter an die Tochter weitergegeben, hatte Lunja bis über die Grenzen der Grafschaft bekannt gemacht. Von weit her kamen die Kranken, um bei Lunja Rat und Hilfe zu erbitten.
Nie ging jemand, ohne Hilfe erhalten zu haben. Auch verlangte sie nie eine Bezahlung für ihre Hilfe.
Und doch ging es Lunja gut, da jeder, der zu ihr kam ein Geschenk mitbrachte. Hier eine Ziege, da ein Huhn…
Ihre Speisekammer war gefüllt mit Eiern, Schinken, Speck, Mehl, Gewürzen, Honig und Milch.
Ihre Hütte wurde regelmäßig repariert und Lunja fand immer wieder neue Kleidung vor ihrer Tür.
Sie hatte sehr wohl von den Vorgängen auf der Burg gehört und rechnete täglich mit einer Bitte um Hilfe .
Oft dachte sie über mögliche Heilkräuter nach.
Wenn der Graf nach ihr schickte, wollte sie bereit sein.
Lange wartete sie vergeblich.
Doch eines Morgens saß Lunja vor ihrer Hütte und zupfte die Blüten des gesammelten Johanniskrauts von den getrockneten Stängeln, als ein älterer Mann in vornehmer Kleidung zögernd vor sie hin trat.
” Grüß euch Gott, Jungfer Lunja. Wenn es Euch recht ist, würde ich Euch gerne um Hilfe bitten…”, fast ängstlich trat der Mann von einem Bein auf das andere.
“Nun verehrter Herr! Ihr seht sehr Wohl aus. Es scheint als benötigt Ihr meine Hilfe für jemand anderen. Ist es der Graf, der euch zu mir schickt ?”
Lunja sah sofort, dass es dem Mann gut ging. Folglich brauchte nicht er ihre Hilfe, und da er teuer gekleidet war, konnte er nur von der Burg kommen.
Das einfache Personal kam selber zu ihr, also konnte nur ein Familienmitglied des Grafen oder er selber ihre Hilfe erbitten.
Weitere Kostenlose Bücher