Eine Klasse für sich
etwas dagegen?«
Wortlos ging sie zu ihrem Schreibtisch hinüber, zog eine Schublade auf, holte einen Umschlag heraus und überreichte ihn mir. Darauf stand geschrieben: »Penistons Haar, mit drei Jahren.«
»Genügt das?«, fragte sie. »Oder brauchst du etwas Neueres?«
»Das reicht bestimmt völlig aus.«
»Aber nimm bitte nicht alles.« Noch etwas anderes beschäftigte sie. »Muss Peniston davon erfahren? Gehört das zu den Bedingungen? «
»Möchtest du nicht, dass er es erfährt?«
Sie sah sich im Zimmer um. Über dem Kamin hing das Porträt einer Vorfahrin von Andrew aus viktorianischer Zeit, die »Dritte Countess von Belton« mit kastanienbraunen Löckchen und wogendem Busen, gemalt von Franz Xaver Winterhalter. Serena seufzte. »Wenn er es erfährt, muss er wählen: Entweder lebt er mit einer Lüge, oder er zerstört das Leben seines Vaters, weil er sich aus der Geschichte der Beltons ausklinkt. Dann wird er vor allen, mit denen er aufgewachsen ist, dastehen wie ein Narr.«
»Ein reicher Narr.«
»Auch ein reicher Narr bleibt ein Narr.« Sie holte tief Luft. »Nein. Ich möchte nicht, dass er es weiß. Er soll erfahren, dass Damian ein wunderbarer Mann war, ich werde ihm gern erzählen, dass wir uns geliebt haben. Das ist mir sogar ein Bedürfnis. Aber ich glaube, das genügt.«
»Ich werde Damian Bescheid sagen.«
Serena hatte noch eine Bitte. »Ich würde es ihm gern selbst sagen. Darf ich? Würde er das erlauben?«
Ich sah diese Frau an, die noch gesund war, voller Anmut, mitten im Leben, und dachte an jenen kaum noch atmenden lebenden Leichnam. »Das möchte ich bezweifeln«, sagte ich. »Du könntest ihm doch einen Brief schreiben. Das hast du ja schon einmal getan.« Darüber lächelten wir beide, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich glaube nicht, dass er in der Lage ist, jemanden zu sehen. Schon gar nicht jemanden, der ihn nur kannte,
als er noch …« Ich verstummte. Ich suchte nach dem richtigen Wort.
»Als er noch schön war«, sagte sie, während der erste Tropfen seinen Weg nach unten suchte.
Ich nickte. »Genau. Als er noch schön war.«
Nach meinem Aufbruch rief ich sofort Bassett an, gab ihm die Einzelheiten durch und fuhr auf seinen Rat hin direkt von Dorset nach Surrey. Als ich zweieinhalb Stunden später dort ankam, erwartete mich ein Anwalt, der mir mitteilte, ein neues Testament zugunsten des Viscount Summersby sei bereits aufgesetzt und unterschrieben worden. Ich war erleichtert und gleichzeitig seltsam berührt, weil ich eine solche Freude bei einem Namen empfand, der mir so lange verhasst gewesen war. Damian hatte seinen Butler angewiesen, mich gleich nach meinem Eintreffen zu ihm hochzuführen, und als ich sein Schlafzimmer betrat, erkannte ich, dass wir gegen die Uhr kämpften. Er lag im Bett, umgeben von einer einschüchternden Batterie von Flaschen, Schläuchen und tropfenden Dingern auf Ständern, die alle irgendwie mit seinem abgezehrten, eingefallenen Körper verstöpselt waren. Zwei Krankenschwestern beschäftigten sich mit ihm, aber als er mich sah, winkte er sie beiseite, und sie ließen uns allein.
»Alles erledigt. Und unterschrieben«, sagte Damian.
»Der Anwalt hat mir schon berichtet. Du wolltest nicht auf das Ergebnis des Tests warten?«
Ich nahm die Locke aus dem Umschlag und reichte sie ihm. Er schüttelte den Kopf. »Keine Zeit. Und er wird positiv sein.« Ich sah, dass ihm die Haare selbst viel wichtiger waren. Er zog eine dünne Strähne aus dem goldenen Draht, der die Locke zusammenhielt, und streckte sie mir entgegen.
»Gib das Bassett. Jetzt gleich. Mehr brauchen die nicht.« Ich läutete, und der Butler kam und nahm die kostbaren Fädchen in Empfang. Als ich mich wieder zum Bett wandte, sah ich, wie Damian die Locke seines Sohnes behutsam in der Hand hielt und ganz langsam an die Lippen führte. »Dann haben wir’s also geschafft«, sagte er.
»Wir haben’s geschafft.«
»Keine Sekunde zu früh.« Er zog die dünnen Lippen zu einer Art Lachen auseinander, ein schmerzlicher Anblick. »Und jetzt erzähl.«
Das tat ich. Er unterbrach mich erst, als ich zu seiner Aussprache mit Serena beim Ball kam und ihm sagte, ich hielte sein Verhalten für ehrenhaft. Da schüttelte er den Kopf. »Es sollte ehrenhaft erscheinen«, sagte er. »Aber es war nur Stolz. Ich wollte, dass sie mich mit offenen Armen aufnähmen. Und als ich mit Serena nach Gresham fuhr, dachte ich, das würde mir gelingen. Aber sie wollten mich nicht haben, und ich
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