Eine Koelner Karriere
begrüßte, und das Lächeln am Morgen hatte er sich schon vor Jahren abgewöhnt.
Bereits beim Aufstehen spürte er jene widernatürliche Atmosphäre aus neuer Lebensfreude und dumpfen Trieben, die dem Flirt jede Originalität nahm und zum Volkssport degradierte, und als er das Haus verließ, um die Nachforschungen in Sachen Strapslady aufzunehmen, fand er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Berrenrather Straße war von ganzen Horden hübscher Mädchen bevölkert, als hätte sich Köln-Sülz über Nacht in Fellinis Stadt der Frauen verwandelt, ein schwindelerregendes Panorama geballter Weiblichkeit, das auf nüchternen Magen kaum zu ertragen war. Ihre kriegerisch geschminkten Augen blinzelten ihm lockende Morsesignale zu, wie man sie in dieser Deutlichkeit sonst nur noch in erotischen Romanen fand, und ihre dünne Frühjahrsgarderobe verhüllte gerade soviel, daß der Berufsverkehr nicht auf der Stelle zusammenbrach.
Er schnitt zur Abschreckung ein grimmiges Gesicht und eilte zum Café Regenbogen, um sich wie jeden Morgen mit einem Frühstück aus Kaffee und Scotch zu stärken, doch das Café war an diesem Tag fest in der Hand einer studentischen Frauengruppe, die bei Kräutertee und Sauerkrautsaft einen Gebärstreik gegen Männergewalt organisierte. An der Tür hing ein Pappschild, das einen sabbernden Neandertaler mit Hundehalsband und irrem Blick zeigte und die drohende Aufschrift MÄNNER GEHÖREN AN DIE LEINE trug.
Nach der aggressiven Pinselführung zu urteilen, war es ein Machwerk der reizenden Tageskellnerin Sophie, einer blutjungen brünetten Schönheit, die für Männer nichts übrig hatte, und für Männer über dreißig noch viel weniger. Sophie stand hinter dem Tresen, braute soeben eine neue Runde Kräutertee für das hitzig debattierende Gebärstreikkomitee zusammen und erweckte alles in allem nicht den Eindruck, als würde sie sich über Markeschs Besuch freuen.
Die giftigen Kräuterschwaden, die durch die Lüftungsklappe über der Tür nach draußen zogen, ließen Markesch spontan auf sein Frühstück verzichten. Schaudernd wandte er sich ab, trottete zu seinem rostbraun lackierten Ford und suchte im Handschuhfach nach der medizinischen Scotchreserve, fand aber nur eine leere Whiskyflasche und einen fotokopierten Zeitungsartikel über die verheerenden Folgen des Alkoholmißbrauchs, und damit war das Thema Frühstück für ihn endgültig erledigt.
Er ließ den Wagen an, ignorierte das asthmatische Röcheln des Motors und machte sich auf den Weg nach Nippes.
Während er im gemächlichen Tempo über die Universitätsstraße rollte, den Aachener Weiher passierte und sich durch den zähflüssigen Berufsverkehr auf der Inneren Kanalstraße kämpfte, dachte er wieder an die Dinge, die ihm Archimedes über Walter Kress erzählt hatte. Vielleicht war der Stadtrat tatsächlich ein Menschenfresser, aber Politik war ein mörderisches Geschäft und der Kölner Klüngel eine geschlossene Gesellschaft, abgeschottet und ehrenhaft wie die sizilianische Mafia. Wer von ganz unten kam und sich bis ganz nach oben durchboxen wollte, konnte sich keine Skrupel erlauben.
Aber wieso erpreßte Yvonne Schmidt einen treuen, zahlungskräftigen Kunden wie Kress?
Sie ruinierte sich damit nicht nur das Geschäft, sondern brachte sich auch in ernste Gefahr. Im Rotlichtmilieu des Friesenviertels schätzte man keine indiskreten Nachtarbeiterinnen, die die Freier verschreckten und die ganze Branche in Verruf brachten. Wenn sich herumsprach, daß Yvonne ihren Hurenlohn mit Erpressung aufbessern wollte, würde man ihr im besten Fall das Gesicht zerschneiden, sofern man sie nicht gleich in Beton eingoß und hinter der Rodenkirchener Brücke im Rhein versenkte.
Und das, dachte Markesch, wäre eine große Tragödie für alle Busenfreunde.
Er verdrängte die unzüchtigen Gedanken und konzentrierte sich auf den Verkehr. Wenige Minuten später hatte er Nippes erreicht und bog in die Neusser Straße, über die sich ein Transparent mit der prahlerischen Aufschrift EINKAUFSZENTRUM spannte, aber die Geschäfte ließen sich fast an einer Hand abzählen, und selbst das größte schien kaum in der Lage, einem Innenstadtkiosk Konkurrenz zu machen. Nur die Luft hatte großstädtische Qualität und roch wie eine frische Bremsspur, leicht angekokelt und unwiderstehlich klebrig.
Der Gestank stammte von den Gummiwerken im Herzen von Nippes, wo rund um die Uhr Reifen und Verhüterli für die Verkehrsindustrie produziert wurden.
Yvonne
Weitere Kostenlose Bücher