Eine Koelner Karriere
hätte mir die Fotos als eine Art Souvenir geschickt? Früher oder später wird sie Geld verlangen. Sie will mich weichklopfen, mir Angst einjagen, um den Preis in die Höhe zu treiben. Also knöpfen Sie sich die kleine Hure vor und ziehen Sie sie aus dem Verkehr. Vielleicht gibt es noch mehr von diesen Fotos. Ich will die Abzüge, und ich will die Negative. Mir ist es egal, wie Sie es schaffen, aber sorgen Sie dafür, daß die Schweinerei aufhört!«
»Sind Sie bereit, für die Negative zu zahlen?«
»Wenn es die einzige Möglichkeit ist, einen Skandal zu vermeiden – ja. Geld spielt keine Rolle.«
Markesch ließ den letzten Satz für einige andächtige Momente in sich nachklingen. Geld spielt keine Rolle. Das Sesam-öffne-dich der Mercedes-Kultur. Es machte ihm Kress nicht unbedingt sympathischer, aber es würde ihm die Arbeit entscheidend erleichtern.
»Wo wohnt diese Yvonne?« fragte er.
»In einem Appartementhaus in Nippes.« Kress reichte ihm seine Visitenkarte. »Ich habe die Adresse auf der Rückseite notiert. Halten Sie mich auf dem laufenden. Rufen Sie mich sofort an, wenn Sie etwas herausgefunden haben, unternehmen Sie nichts ohne vorherige Rücksprache mit mir. Aber das Wichtigste ist Diskretion. Ich möchte nicht, daß die halbe Stadt erfährt, daß ich einen Privatdetektiv engagiert habe. Und vor allem möchte ich nicht, daß irgend jemand erfährt, warum ich Sie engagiert habe. Ich habe Feinde, wissen Sie. Politische Gegner, die nur auf eine Chance warten, mich fertigzumachen.« Der Stadtrat stand abrupt auf, griff nach dem braunen Umschlag mit den Fotos und wollte ihn in die Innentasche seines Jacketts schieben. »Noch irgendwelche Fragen? Es ist spät, und ich habe morgen eine anstrengende Ratssitzung vor mir. Von den anderen Verpflichtungen ganz zu schweigen.«
Markesch streckte die Hand nach dem Umschlag aus. »Lassen Sie eins von den Fotos hier.«
Auf Kress’ Stirn erschien eine steile Falte. »Warum? Was wollen Sie damit? Sie haben alles gesehen, was es zu sehen gibt. Wenn die Fotos in die falschen Hände geraten …«
»Ich brauche ein Bild von dem Mädchen – von ihrem Gesicht, mehr nicht. Und Sie sollten die übrigen Fotos vernichten. Nur für den Fall, daß Ihre Frau Ihr Jackett in die Reinigung bringen will und zufällig auf diese Wundertüte stößt.«
»Natürlich werde ich sie vernichten. Halten Sie mich etwa für einen Idioten?« brauste Kress auf. Widerwillig zog er ein Foto aus dem Umschlag und legte es mit der Bildseite nach unten auf den Tisch. »Ich höre von Ihnen. Und vergessen Sie nicht – das Wichtigste ist Diskretion.« Er legte eine kurze, wohlberechnete Pause ein. »Ich bin ein mächtiger Mann, Markesch«, fügte er mit kalter Stimme hinzu. »Einflußreich und vermögend. Ich habe mir alles hart erarbeiten müssen, nichts ist mir geschenkt worden. Und was ich mir aufgebaut habe, lasse ich mir von niemand zerstören. Von niemand!«
Er wandte sich grußlos ab, stapfte mit schweren Schritten durch das leere Café und trat hinaus in die laue Frühlingsnacht. Markesch sah ihm nach, bis ihn die Dunkelheit verschluckt hatte, und drehte dann das Foto um.
Es war gut gewählt, aber das verstand sich für einen Politprofi wie Walter Kress von selbst – sein Kopf war völlig unter den beeindruckenden Rotkreuzbrüsten der erpresserischen Yvonne Schmidt begraben, eine Stellung, die ihm sowohl größtmöglichen Lustgewinn als auch größtmögliche Anonymität garantierte. Yvonne selbst hatte den Kopf zur Seite gedreht und blickte direkt in die versteckte Kamera, doch von Lustgewinn konnte bei ihr keine Rede sein. Im Gegenteil, sie sah wie eine Frau aus, die sich ihr Geld mit harter, monotoner, unerfreulicher Arbeit verdienen mußte und nur zu genau wußte, daß jede Toilettenfrau und jeder Berufspolitiker mehr soziales Ansehen genoß als sie, dafür aber wesentlich weniger Leistung erbrachte.
Leicht vorstellbar, daß sie die Fotosession inszeniert hatte, um mit dem Erpressergeld in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen und auf irgendeiner Sonneninsel fortan Muscheln zu züchten. Die Frage war nur, ob sie diesen Plan allein ausgeheckt hatte oder …
Hinter Markesch ertönte ein leiser Pfiff.
»Theo mu!« sagte Archimedes beeindruckt und beugte sich so tief nach unten, daß seine Nasenspitze fast das Foto berührte. »Was für Möpse! Braucht man für so was nicht einen Waffenschein? Und was macht sie da mit diesem Kerl? Bringt sie ihn um, oder bringt sie ihn nur in den
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