Eine Lady nach Maß
Woche über hatte sie sich nichts zu essen gekocht, sondern sich von altem Brot und Keksen ernährt. Gestern hatte sie sich ein Stück Speck gebraten, aber ansonsten war ihre Ernährung doch sehr einseitig gewesen. Sie brauchte wirklich eine Pause.
* * *
Als es Zeit war, den Laden zu schließen, legte Hannah die fast fertige Änderung beiseite. Es fehlten nur noch etwa dreißig Zentimeter Saum und es juckte in ihren Fingern, die Arbeit schnell noch zu Ende zu bringen, doch der Gedanke an das Essen ließ ihren Magen knurren. Das Geräusch verdrängte jeden Arbeitseifer.
Da sie vor Jericho einen besseren Eindruck machen wollte als am Morgen, lief sie schnell nach oben, um sich frisch zu machen. Sie konnte nicht viel tun, um die Schatten unter ihren Augen zu verdecken, aber sie zog das blaue Kleid an, das er so sehr an ihr mochte, und kämmte ihre Haare zu einer ordentlichen Frisur. Zum Schluss rieb sie sich die Wangen, um ein bisschen Farbe in ihr Gesicht zu bringen. Nach einem letzten prüfenden Blick ging sie nach unten.
Eine kalte Brise empfing sie, als sie ihr Gesicht zum sternenklaren Himmel hob. Langsam atmete sie ein und aus und versuchte so den Frieden und die Gelassenheit in ihrem Herzen wiederzufinden, die ihr in den letzten Tagen abhandengekommen waren. Um ihre Kunden zufriedenzustellen, hatte sie ihre Zeit mit Gott vernachlässigt.
Vergib mir.
Lächelnd öffnete sie ihre Augen wieder. Cordelia und Jericho sorgten schon dafür, dass sie sich auch Zeit für die ruhigen Momente im Leben nahm – und wenn sie sie dazu zwingen mussten.
Kopfschüttelnd machte sie sich auf den kurzen Weg zu ihren Freunden. Ihre Gedanken waren schon bei Jericho. Gab es etwas, das sie tun konnte, damit er ihr gegenüber seine Gefühle in Worte fassen konnte? Sie sah die Liebe in seinen Augen und seinen Taten, doch trotzdem schien eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen zu stehen.
Vielleicht würde es helfen, wenn sie aufhörte, ihn bei dem Namen zu nennen, den er nicht leiden konnte. Sie hatte ihn anfangs Jericho genannt, um ihn zu ärgern, doch jetzt sah sie es anders, wenn sie ihn so nannte. Es war ein Name, mit dem nur sie ihn ansprach. Aber was, wenn er es trotzdem schrecklich fand? Sie sollte aufhören, ihn Jericho zu nennen und J.T. zu ihm sagen. Innerlich bezweifelte sie zwar, dass so eine kleine Geste seine Zunge lösen würde, doch sie würde es ausprobieren.
Hannah bog um die Ecke und sah das Haus der Tuckers vor sich. Ihr Herz schlug schneller. Gleich würde sie Jericho wiedersehen. J.T. , korrigierte sie sich.
Von Weitem konnte sie Cordelia und Ike auf der Veranda erkennen, die sich angeregt unterhielten und gemeinsam lachten. Hannah hielt inne, bevor sie die beiden störte. Bestimmt würde sich ihre Freundin über ein paar Minuten Privatsphäre freuen. Das wollte sie ihr gönnen.
Neben ihr im Busch raschelte es plötzlich, sodass Hannahs Aufmerksamkeit von dem glücklichen Paar abgelenkt wurde. Bevor sie sich jedoch umgedreht hatte, sprang ein Schatten hervor und umklammerte sie von hinten. Erschrocken schrie Hannah auf, doch sofort legte sich eine kalte, knochige Hand über ihren Mund. Ein Mann presste sie gegen einen Baum, sodass die linke Seite ihres Gesichts schmerzhaft über die raue Borke schabte. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte Hannah, die Schmerzen zu verdrängen. Was geschah hier? Verzweifelt grub sie ihre Fingernägel in den Arm des Angreifers. Der Mann zischte, lockerte seinen Griff jedoch nicht.
„Sei still, sonst steche ich dich ab. Verstanden?“
Hannah erstarrte. Sie erkannte die Stimme.
Vorsichtig wandte sie den Kopf ein wenig und sah, dass der Mann ein blitzendes Messer in der Hand hielt. Wieder durchzuckte sie eine schreckliche Angst. Was hatte er vor? Hannah drehte ihren Kopf weiter und sah an dem Messer vorbei in das harte Gesicht ihres Angreifers. Kalte Augen starrten sie hasserfüllt an. Lange Haare fielen dem Mann ins Gesicht, konnten aber trotzdem das Mal auf seiner Wange nicht ganz verbergen.
Warren.
Kapitel 38
J. T. hatte gerade den Stall verlassen wollen, als eines der Pferde, die er für die Besucher des Hotels unterbrachte, die Anfänge einer Kolik gezeigt hatte. J.T. hatte die Sache ein paar Minuten lang beobachtet, dann jedoch festgestellt, dass sich das Pferd schnell wieder beruhigte. Es hatte sogar das angebotene Futter genommen, sodass er sicher sein konnte, dass mit dem Tier alles schnell wieder in Ordnung kommen würde.
„Tom, bitte behalte unseren Besucher
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