Eine Lady verschwindet
verließen?«
»Daphne besuchte Vincente spät in der Nacht zuvor. Als sie zurückkehrte,
erzählte sie mir, daß der Plan geändert worden sei. Ein Wagen würde mich früh
am Morgen abholen und direkt nach Eagle’s Rock bringen.
Der Wagen war um acht Uhr da. Ein Chauffeur saß darin, und O’Neil war da, um mich zu begleiten. Alles schien in Ordnung zu sein, bis wir hier
eintrafen. Dann zwangen mich die beiden, hier hineinzugehen«, sie preßte kurz
die Lippen zusammen, »und mich auszuziehen. Und seit diesem Zeitpunkt bin ich
hier.«
»Haben sie Sie schlecht
behandelt?«
»Der einzige, den ich seit
meiner Ankunft zu Gesicht bekommen habe, ist O’Neil «,
sagte sie mit leiser Stimme. »Er bringt mir meine Mahlzeiten. Er ist kein Mann,
er ist ein Monstrum! Er hat mich nicht angerührt, aber mit seinem Gerede
ängstigt er mich halb zu Tode. Er kann nicht normal sein.« Sie tippte sich mit
dem Zeigefinger an die Schläfe. »Da! Er erzählt mir fortwährend, was mit mir
geschehen wird. Was er mir antun will!«
»Es schien Sie nicht sonderlich
zu bekümmern, als ich Ihnen erzählte, daß er Martin Harris umgebracht hat?«
»Warum auch?«
»War er nicht Ihr Liebhaber?«
»Für eine kurze Zeit vor
ungefähr einem Jahr. Ein sehr eingebildeter junger Mann, aber vital.«
Ich zündete mir die Zigarette
an, die ich plötzlich dringend nötig hatte. »Dieses Abkommen mit Axel Barnaby —
Sie im Tausch für die Stellar-Anteile — hat Sie das überhaupt nicht gestört?«
»Warum denn?« fragte sie ruhig.
»Das hat Sie nicht gestört?«
wiederholte ich langsam. »Der Gedanke, mit einem Kerl zu schlafen, den Sie
überhaupt noch nie gesehen haben, nur damit Manatti einen geschäftlichen Vorteil erlangen würde?«
Ihre großen violetten Augen
betrachteten eine ganze Weile mein Gesicht, dann lächelte sie. »Ich hätte nicht
gedacht, daß Sie naiv seien, Mr. Holman . Vielleicht
sind Sie das, weil Sie Amerikaner und im Grund Ihres Herzens ein Romantiker
sind?«
»Aber Sie sind ein Superstar!«
protestierte ich.
»Und möchte einer bleiben!«
sagte sie scharf. »Ich erzählte Ihnen doch von diesem Vertrag, den ich mit Vincente abschloß , als ich
neunzehn war. Ich bin jetzt neunundzwanzig, und der Vertrag hat noch fünf Jahre
Gültigkeit. Manatti könnte verhindern, daß ich
während all dieser Zeit noch einen Film drehe, und das wäre das Ende meiner
Karriere.«
»Die Karriere ist das einzige,
was Ihnen am Herzen liegt?«
»Was gibt es denn sonst?« Ihre
Stimme war ausdruckslos. »Sie können doch nicht so naiv sein, anzunehmen, dies
sei im Verlauf der letzten zehn Jahre zum erstenmal passiert, Mr. Holman ! Man könnte fast sagen, die
meisten von Vincentes großen Geschäften seien
sozusagen über meinem Körper abgeschlossen worden.« Sie lächelte erneut.
»Schockiert Sie das?«
»Ich glaube nicht«, sagte ich
und war mir nicht sicher, ob ich log oder nicht. »Hat O’Neil Ihnen mitgeteilt, warum er Sie hier als Gefangene behält?«
»Nicht direkt. Er läßt dauernd
Andeutungen darüber fallen, was mit mir geschehen wird, wenn die Zeit reif ist.
Wie gesagt, ich halte ihn für eine Art Irren.«
»In Partnerschaft mit Daphne
Woodrow«, sagte ich. »Ich frage mich, was springt für sie dabei heraus — außer
Geld?«
»Befriedigung«, sagte Anna Flamini prompt. »Sie haßt mich auf die spezielle Weise, auf
die nur eine Frau eine andere hassen kann.«
»Warum?«
»Weil ich bin, was ich bin.«
Sie zuckte flüchtig die Schultern. »Daphne ist ein hübsches Mädchen, aber sie
hat weder den Spürsinn noch den Sex-Appeal, um als Magnet auf Männer zu wirken.
Sie schuftete wie ein Pferd, um endlich in Vincentes Bett zu gelangen; und erst hinterher wurde ihr klar, daß er und ich seit Jahren
nicht mehr miteinander geschlafen haben. Es war also ein sehr schaler Triumph
für sie.« Die violetten Augen glitzerten flüchtig. »Außerdem ist Vincente nicht besonders gut im Bett. Sein Hauptantrieb
gilt der Macht, nicht den Frauen.«
»Ich verstehe nicht, wie sie
und O’Neil so schnell zusammengekommen sind?«
» Vincente sprach nie persönlich mit Axel Barnaby, hat sich nicht einmal brieflich mit ihm
in Verbindung gesetzt. Alle Verhandlungen wurden durch O’Neil geführt. Er verbrachte zwei Wochen in Rom bei Vincente ,
bevor jemand von uns hier eintraf. Und natürlich lernte er während dieser Zeit
Daphne kennen.«
»Ich frage mich aber, warum sie
sich — wenn sie diesen ganzen Betrug zwischen sich abgesprochen hatten —
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