Eine letzte Breitseite
persönlich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Zu allem Unglück erklang erst jetzt die Stimme des Midshipman der Wache: »Boot legt von der Mole ab, Sir!«
Herrick leckte sich die Lippen. Sie waren trocken wie Asche.
»Schön, Mr. Saxby. Mein Kompliment an den Ersten Offizier, und er kann jetzt zur Begrüßung antreten lassen.«
Richard Bolitho schritt zum Heckfenster seiner geräumigen Tageskajüte und sah zu den anderen Schiffen hinüber. So folgenreich das Ereignis auch war, daß er zum erstenmal an Bord seines eigenen Flaggschiffs feierlich empfangen worden war – er konnte seinen Übermut kaum zügeln. Wie Wein und Gelächter sprudelte es in ihm, und nur mit letzter Kraft wahrte er die Form.
Er wandte sich um: da stand Herrick neben der Tür und sah ihn an. Ein paar Matrosen stellten sorgfältig allerlei Kästen und Kisten auf, die aus dem Boot an Bord gehievt worden waren; irgendwo schimpfte Allday, sein Bootsführer, mit jemandem, der nicht aufgepaßt hatte.
»Danke, Thomas, das war ein schöner Empfang.«
Bolitho schritt über die schwarz-weißen Karos des Fußbodenbelags auf Herrick zu und ergriff dessen Hand. Oben hörte er das Getrampel der abrückenden Marine-Infanterie und die sonstigen wohlbekannten Geräusche des Borddienstes.
Herrick lächelte verlegen und deutete auf das Gepäck. »Danke, Sir. Ich hoffe, Sie haben alles mitgebracht, was Sie brauchen. Es wird wohl eine ziemlich lange Fahrt werden.«
Bolitho musterte ihn nachdenklich. Herricks untersetzte Gestalt, sein schlichtes, volles Gesicht und die leuchtendblauen Augen waren ihm fast so vertraut wie die Alldays. Aber irgendwie kam ihm Herrick verändert vor. Es war nur vier Monate her, und doch… Was hatte sich alles ereignet, seit sie zusammen auf der Admiralität gewesen waren! Die zahlreichen Unterredungen mit Männern, die so viel ranghöher und mächtiger waren als er, daß es ihn immer noch verblüffte, was eine Beförderung wie die seinige bewirken konnte. Jedesmal, wenn er die Befürchtung äußerte, die Ausrüstung seines neuen Flaggschiffs ginge nicht schnell genug voran, hatte er ihnen angesehen, daß sie sich leise über ihn amüsierten.
Sir George Beauchamp, der Admiral, der seine Beförderung ausgesprochen hatte, drückte es schließlich so aus: »Diese Details müssen Sie jetzt vergessen, Bolitho. Um das Schiff kümmert sich sein Kommandant, Sie haben Wichtigeres zu tun.«
Schließlich war Bolitho mit einer schnellen Fregatte nach Gibraltar gesegelt. In der Tejomündung hatten sie Station gemacht, weil er Depeschen für das Flaggschiff der Blockadeflotte brachte. Dort war er vom Admiral, dem Earl of St. Vincent, empfangen worden, der diesen Titel nach seinem großen Sieg vor elf Monaten erhalten hatte. Der Admiral, den manche seiner Untergebenen immer noch liebevoll »Old Jarvy« nannten (aber nur, wenn er es nicht hörte), hatte ihn munter begrüßt.
»Also, Sie haben jetzt Ihre Befehle«, hatte er gesagt. »Sehen Sie zu, daß Sie sie ausführen! Seit Monaten wissen wir nicht mehr, was die Franzosen vorhaben. Unsere Agenten in den Kanalhäfen berichten lediglich, daß Bonaparte mehrmals an der Küste gewesen ist, um Pläne für eine Invasion Englands auszuarbeiten.« Ein kurzes, trockenes Auflachen, typisch für ihn. »Aber was ich ihm bei Kap St. Vincent zu schlucken gegeben habe, wird ihn wohl gelehrt haben, zur See ein bißchen vorsichtiger zu manövrieren. Bonaparte ist ein Landmensch. Ein Planer. Unglücklicherweise haben wir niemanden, der ihm gewachsen ist. Zu Lande, meine ich.«
Im Rückblick fand Bolitho es erstaunlich, was der Admiral in dieser kurzen Unterredung alles klargestellt hatte. Fast pausenlos war er auf See gewesen, und doch besaß er über die Lage sowohl in den heimischen Gewässern wie auch im Mittelmeer einen besseren Überblick als mancher von der Admiralität.
Beim Auf- und Abgehen auf dem Achterdeck hatte der Admiral gelassen gesagt: »Beauchamp ist der Richtige, um so ein Unternehmen zu planen. Aber zur Ausführung sind erfahrene Seeoffiziere nötig. Dank Ihrer vorjährigen Aktionen im Mittelmeer wissen wir einiges mehr über die Absichten der Franzosen. Broughton, Ihr damaliger Admiral, hat vielleicht die wahre Bedeutung erst begriffen, als es zu spät war. Zu spät für
ihn,
meine ich.« Dabei hatte er Bolitho grimmig angestarrt. »Wir müssen wissen, ob es sich lohnt, wieder eine Flotte in diese Gewässer zu schicken. Wenn wir aber unsere Geschwader sinnlos aufsplittern, werden die
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