Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
ERSTES HAUS
SCHLÜSSELWÖRTER:
EINFÜHRUNG, PERSÖNLICHE BEZIEHUNGEN,
SCHWIERIGKEITEN
Wie hält man sich die Hexenjäger des Vatikans vom Hals? Indem man sich so richtig aufbrezelt.
Nachdem ich die silbernen Totenkopf-Schnallen an meinen kniehohen schwarzen Domina-Lederstiefeln geschlossen hatte, rückte ich meinen Samtminirock zurecht. Wegen der glitzernden Spinnennetz-Strumpfhose, die ich darunter trug, rutschte er immer wieder an meinen Oberschenkeln hoch. Ich schaute zum Kleiderschrank und überlegte, ob ich einen Lederrock anziehen sollte. Aber mit meiner skandalösen Saumlänge drohte ich ohnehin schon die Grenzen der Kleiderordnung zu sprengen, und als Geschäftsführerin musste ich meinen Kollegen – oder meinen Lakaien, wie ich sie gern zu bezeichnen pflegte – doch ein Vorbild sein.
Um meinem Look den letzten Schliff zu geben, ummalte ich meine Augen dick mit schwarzem Kajal. Als ich mir das Ergebnis im Spiegel ansah, lächelte ich: eine Goth-Tussi, wie sie im Buche stand. In diesem Aufzug hielt mich nun wirklich niemand für eine echte Hexe. Ein Vatikan-Agent würde nur einen Blick auf das große, versilberte Ankh-Kreuz werfen, das in dem tiefen Ausschnitt meines Hello-Kitty -Vampirshirts baumelte, und denken: Was für eine Aufschneiderin!
Genau das war meine Absicht.
Es war alles in Ordnung, solange mir niemand tief genug in die Augen schaute, um SIE darin zu erkennen. Das Problem war nur, dass meine Augen sehr auffällig waren. Manchmal schnappten Kunden entsetzt nach Luft, wenn sie mir ins Gesicht sahen. Nicht viele Leute haben violette Augen; nur ich und Liz Taylor. Und ich finde, meine sind hübscher. Aber ich glaube, dass die Menschen deshalb so geschockt reagieren, weil sie SIE, die Göttin in mir, irgendwie unbewusst wahrnehmen.
Ich habe es mit farbigen Kontaktlinsen probiert – mit blauen, braunen und sogar mit schwarzen –, doch die Göttin scheint immer durch. SIE will, dass ich violette Augen habe, also habe ich eben violette Augen.
Ich sah nach, ob ich genug Geld in meiner Brieftasche hatte. In meinem Führerschein war als Augenfarbe immer noch ein langweiliges Blaugrau eingetragen, und das Foto zeigte eine Frau mit schulterlangem blondem Haar, dabei trug ich inzwischen einen schwarz gefärbten, raspelkurzen Pixie-Cut. Das Einzige, was stimmte, war mein Name: Garnet Lacey.
Ich musste dringend zur Kraftfahrzeugbehörde. Ich hatte mich noch nicht um einen neuen Führerschein bemüht, obwohl ich das eigentlich innerhalb von dreißig Tagen nach meinem Umzug nach Wisconsin hätte tun müssen. Inzwischen waren schon fast acht Monate vergangen, seit ich Minneapolis verlassen hatte. Der Führerschein war meine letzte Verbindung. Sie mochte zwar banal und belanglos sein, doch mein Unterbewusstsein wollte sie offenbar noch nicht kappen.
Schon dieser flüchtige Gedanke an mein früheres Leben genügte, um mir jenen albtraumhaften Abend in Erinnerung zu rufen, an dem ich die Mitglieder meines Zirkels tot aufgefunden hatte. Ich spürte, wie sich die Göttin in mir zu rühren begann. Bittere Galle stieg in meiner Kehle auf. Meine Hand, in der ich den Führerschein hielt, zitterte vor Zorn und Trauer. Ein dunkler Vorhang senkte sich vor meinen Augen herab, und ich spürte, wie SIE sich erhob.
Es begann immer mit einem krampfartigen Ziehen im Unterleib. Dann kamen die Wallungen. Eine feuergleiche, pulsierende Hitze breitete sich von meinem Schritt nach oben aus. Meine Oberschenkel zitterten. Mit jedem Herzschlag stieg die Hitze höher und immer höher, bis sie meinen Magen und meinen Brustkorb erreichte. Mein ganzer Körper erbebte vor Verlangen.
Es fühlte sich wahnsinnig gut an, aber ich musste IHR Einhalt gebieten. Wenn SIE mich zum Äußersten trieb, hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Und was ich dann zerstörte – denn SIE zerstörte immer –, wusste ich erst, wenn ich wieder zu mir kam und die Scherben aufsammeln oder die Leichen verscharren musste.
Meine Fingerspitzen kribbelten vor Energie. Und ich sah SIE im Spiegel. Meine Augen hatten sich verändert. Sie waren nun so schwarz und glänzend wie die giftigen Beeren der Tollkirsche.
SIE war kurz davor, an die Oberfläche zu kommen.
Ich stürzte vornüber und fiel auf die Knie. Die Schmerzen halfen mir, mich zu konzentrieren.
Ich stieß mit dem Kopf so fest gegen das Waschbecken, wie ich konnte, und flüsterte: »Hier gibt es nichts für dich zu tun. Hier gibt es nichts für dich zu tun.« SIE musste wissen, dass es die
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