Eine Luege macht noch keine Liebe!
Gesicht, während sie sich noch etwas benommen an das Geländer lehnte. Ihre Hände zitterten merklich.
„Alles okay? Tut dir etwas weh? Irgendetwas gebrochen oder verstaucht?“, eindringlich sah er sie an. Sie war blass, schüttelte aber den Kopf.
„Mir geht’s gut“, sie schüttelte seine Hände ab, die die ihren noch immer festhielten, „ich will nur endlich hier raus!“
Alessandro schüttelte missbilligend den Kopf. Was war sie nur für ein starrsinniges Mädchen!
„Du kommst jetzt erst mal mit mir in die Küche und trinkst etwas und zwar ohne Widerrede“, entschied er.
Irgendwie mussten sie beide erst ihre Fassung wiedergewinnen, ehe sie weiter reden konnten.
Sie folgte ihm wortlos in die Küche. Er holte zwei Gläser aus dem Schrank und öffnete eine Flasche Mineralwasser. Einen Moment lang starrte er gedankenverloren aus dem Fenster.
Was gab es jetzt noch zu sagen? Er hatte sie so gut wie vergewaltigt, gestand er sich bitter ein, und sie hätte sich bei ihrem Sturz auch ernsthaft verletzen können oder sogar Schlimmeres! War es nicht wirklich das Beste, er lenkte ein und ließ sie einfach gehen?
Aber hier ging es nicht mehr nur um sie beide. Lara würde sein Kind bekommen und sie hatten sich beide der Verantwortung für ein neues, unschuldiges Leben zu stellen und das wog entschieden mehr als verletzter Stolz und persönliche Eitelkeiten.
Entschlossen wandte er sich wieder zu ihr um. Und erstarrte.
Lara kauerte auf dem Boden, die Arme um ihren Unterleib geschlungen. Sie war noch bleicher als vorher.
„Lara? Lara, was ist los? So sag doch etwas!“
Alessandro stürzte auf sie zu und beugte sich entsetzt über sie. Ihre Augen waren groß und angsterfüllt, als sie die seinen trafen.
„Tut das weh!“, stöhnte sie atemlos, „ich glaube…das Baby…Alessandro!“
Sie holte tief Luft und krümmte sich keuchend zusammen.
„Ruf Gaia an, ich…brauche ihren…Arzt“, er verstand sie kaum.
Wie aus weiter Ferne hörte sie ihn telefonieren. Dann war er wieder bei ihr.
„Komm, ich bringe dich ins Wohnzimmer, leg dich dort aufs Sofa“, er versuchte, sie hochzuheben, doch sie wehrte ab.
„Nein, lass mich einfach so hier sitzen. Lass mich! Nein!“
Also gab er nach. Er kauerte sich neben sie auf den Boden und sie hatte das Gesicht an seiner Schulter, seine Arme waren um sie geschlungen und sie hörte, dass er beruhigend auf sie einredete, ohne recht zu begreifen, was er ihr eigentlich sagte.
In einer Pause zwischen den wellenartigen Schmerzen sah sie ihm ins Gesicht. Für eine Sekunde kehrte noch einmal das vertraute Gefühl der Geborgenheit zurück, das sie in seiner Umarmung immer gehabt hatte, doch ehe sie etwas sagen konnte, ertrank sie wieder in einer Welle von Messerattacken auf ihren Unterleib.
Auch Alessandro schwieg inzwischen. Was sollte er ihr schon noch sagen? Wie sehr es ihm leid tat, dass sie wegen seiner Unbeherrschtheit das Baby verlor? Wie platt das klingen würde! Also hielt er sie einfach nur weiter vorsichtig fest in den Armen.
Als die erneute Welle vorüber war, holte sie tief Luft und versuchte, sich von ihm zu befreien.
„Geht schon wieder“, brachte sie mühsam heraus und machte einen Versuch, auf die Beine zu kommen.
„Was hast du vor? Bleib hier, der Krankenwagen kommt bestimmt gleich!“
„Ich blute dir wahrscheinlich gerade deinen teuren Teppich voll“, murmelte sie trotzig.
„Lara, wie kannst du nur in so einem Moment an so etwas denken! Schau mich an!“
Er zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
„Was schere ich mich wohl um irgendetwas anderes als um dich, hm? Und jetzt halt still. Oder geht’s dir besser, wenn du dich ausstreckst? Soll ich dich nicht doch lieber zum Sofa bringen?“
Die grenzenlose Sorge und das Bedauern, das sie trotz ihrer Schmerzen aus seiner Stimme hören konnte, ließen ihren Widerstand brechen. Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich wieder an ihn.
Und wieder weinte sie. Nicht aus Wut oder Scham wie zuvor, sondern voll grenzenloser Traurigkeit. In diesem emotionalen Ausnahmezustand erschien ihr diese Fehlgeburt als das Messer, das das letzte Band durchtrennte, das sie noch mit Alessandro verbunden hatte. Wenn das hier vorbei war, dann würde es nie mehr etwas geben, das sie gemeinsam hatten.
Das Schicksal selbst hatte so entschieden - sie war frei.
Sie ließ es noch zu, dass er sie in den Armen hielt, bis sie endlich draußen die Sirenen der Ambulanz aufheulen hörte. Sie ließ zu, dass er ihr vorsichtig auf die
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