Träum ich?: Roman (German Edition)
Eins
» H eirate nur einen Mann, der klein, fett, kahl und dumm ist und dich schlecht behandelt.« So lautet der Rat meiner Großmutter Dolly. »Doch vor allem: Solltest du je deinen Traummann finden, dann renn um dein Leben!«
Das geht mir durch den Kopf, als Gogo sich auf dem Eiffelturm vor mich hinkniet und mir einen Ring mit einem großen Smaragd präsentiert.
Gogo.
Attraktiv, volles Haar, Harvard-Abschluss summa cum laude in Medizin.
Gogo, der mich auf Händen trägt.
Gogo, der Mann, in den ich wahnsinnig verliebt bin.
Ich habe Mühe, Gogos Worte zu verstehen, aber es klingt wie: »Du bist die schönste Frau, die ich je kennengelernt habe … innerlich und äußerlich … du bist die Frau meiner Träume … wärest du bereit, den Rest meines Lebens mit mir zu verbringen?« Ich bin mir ziemlich sicher, dass er etwas in dieser Richtung sagt. Doch mein Kopf ist vernebelt von den unzähligen Szenen, in denen meine Mutter und meine Großmutter mich vor Männern gewarnt haben.
»Die Guten sind eben nicht gut!«, höre ich meine Mutter schreien. »Am Anfang sind sie nett und anständig und legen dir ihr Herz zu Füßen! Aber das ist nur ein Trick!«
»Also: Willst du mich heiraten?«, höre ich Gogo, als ich in die Gegenwart zurückkehre.
»Was?«, frage ich, um Zeit zu gewinnen.
»Lily«, wiederholt er lächelnd, aber mit einem nervösen Unterton. »Lily Joan Burns, willst du mich heiraten?«
»Entschuldige«, antworte ich und schüttle den Kopf, um klar denken zu können. »Ich hab dich nicht richtig verstanden. War das gerade ein Heiratsantrag?«
»Ich knie mit einem Ring vor dir. Was soll es denn sonst sein?«
»Oh, ja natürlich«, erwidere ich und versuche krampfhaft zu lächeln. Aber vor meinem inneren Auge sehe ich nur, wie Selma und Dolly in Philadelphia beim Kofferpacken auf mich einreden.
»Versprich uns, dass du nicht verlobt bist, wenn du zurückkommst.« Das war meine Großmutter, mit flehentlichem Unterton.
»Das wäre der größte Fehler deines Lebens«, fügte meine Mutter hinzu.
»Willst du mich heiraten?«, fragt Gogo noch einmal und strahlt mich an. Er klingt so glücklich wie nie zuvor.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es sind die längsten Sekunden meines Lebens. Langsam verblasst Gogos Lächeln.
»Du willst mich nicht heiraten?«, fragt er leise und wirkt leicht beunruhigt. Noch immer kniet er vor mir und streckt mir den Ring entgegen. Die Leute um uns herum zeigen lächelnd auf den Mann, der seiner Freundin an einem der romantischsten Orte der Welt einen Heiratsantrag macht. Eine übergewichtige, mit Schmuck behangene Frau in Schwarz und ihr nur halb so großer Mann nehmen sich in den Arm und werden Zeuge des scheinbar glücklichsten Augenblicks meines Lebens.
»Er macht ihr einen Heiratsantrag!«, sagt die Frau und zerrt aufgeregt am Arm ihres Mannes. »Hol den Fotoapparat raus, Larry.«
»Bin schon dabei, Barb«, antwortet er und holt die Kamera aus seiner Bauchtasche.
»Was soll diese Parisreise überhaupt?«, sagte Selma mit kla gender Stimme. »Dabei kann nichts Gutes herauskommen.«
»Ach, Mutter, bitte«, erwiderte ich. »Er will mit mir verreisen. Ich war noch nie in Paris. Keine Sorge, er wird mir keinen Antrag machen. Ich kenne Gogo. Bei uns beiden steht der Beruf an erster Stelle. Außerdem sind wir erst ein Jahr zusammen. Kein vernünftiger Mensch würde schon nach einem Jahr Beziehung heiraten.«
»Natürlich kennen wir uns erst seit einem Jahr«, sagt Gogo, immer noch kniend. Da die Aussichtsplattform aus Beton ist, muss sein Knie schon wehtun. »Aber wenn es Liebe ist, weiß man es eben.«
Ich will Sie nicht anlügen. Schon als ich Mutter und Großmutter erklärte, Gogo würde mir auf keinen Fall einen Heiratsantrag machen, war mir klar: Kein Mann, der mit seiner Freundin eine so perfekte Beziehung wie die unsere führte, würde mit dieser Frau sechstausend Kilometer weit fliegen und sie in der romantischsten Stadt der Welt auf das romantischste Bauwerk der Welt zerren, wenn er nicht planen würde, ihr dort einen Antrag zu machen. Tief im Innern ahnte ich das, als Gogo mir das Reiseziel nannte.
»Eine Woche Paris. Wir wohnen im Hotel George V. Wir besuchen all meine Lieblingsbistros. Außerdem will ich dir unbedingt die Mona Lisa zeigen. Für Versailles habe ich einen ganzen Tag eingeplant. Aber zuerst gehen wir auf den Eiffelturm.«
Ich hätte nicht mit ihm verreisen dürfen. Ich hätte ihn warnen sollen, wenn sein Hintergedanke bei dieser Reise ein
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