Eine Marcelli geht aufs Ganze
Sonnenstrahl am Morgen auf. Deshalb brauchte sie auch eine halbe Kanne Kaffee, um ihr Gehirn einigermaßen in Schwung zu bringen.
Als sie wieder in der Lage war, in ganzen Sätzen zu denken, räumte sie den Stapel Bücher vom Küchentisch, schnappte sich ein Blatt Papier und fing an, ihre To-do-Liste zu erstellen.
Zuerst kamen die üblichen Aufgaben wie Wäsche waschen, Lebensmittel einkaufen – bei ihrem Budget immer eine Herausforderung – und staubsaugen. Dann die grobe Struktur für ihre Dissertation erstellen – etwas, das sie schon vor zehn Tagen hätte tun sollen, aber immer wieder aufgeschoben hatte. Und schließlich der feste Entschluss, nicht an Sam zu denken, an ihr gestriges Date, ihr heutiges Date und den versprochenen Anruf.
Ihr war ein wenig schwindelig. Sie fühlte sich lebendig und völlig im Einklang mit dem Universum. In ihrem Unterleib machte sich ein deutliches Kribbeln bemerkbar. Ihre Weiblichkeit, die sich im Winterschlaf befunden hatte, bevor sie Sam begegnet war, tanzte aus Vorfreude auf künftige Aktivitäten Salsa.
Du weißt doch noch gar nicht, ob er wirklich mit dir schlafen will, rief sie sich streng zur Ordnung, während sie sich die vierte Tasse Kaffee eingoss. Ein Kuss macht noch keine körperliche Beziehung.
Stimmt. Aber es war ein umwerfender Kuss gewesen. Einer, der einen nationalen Feiertag verdient hatte oder wenigstens eine eigene Briefmarke.
Sie dachte daran, wie Sam sie an sich gezogen und die Führung übernommen hatte. An das Gefühl von seinen Lippen auf ihren. An seinen Geschmack, die Hitze, die ...
Ein Klopfen unterbrach ihre Gedanken. Widerstrebend verbannte Francesca den nicht jugendfreien Film aus ihrem Kopf und ging zur Tür. Als sie sie öffnete, stand sie Mia, ihrer jüngsten Schwester, gegenüber.
»Ich wollte mich nur verabschieden.« Mia trat ein. »Hast du einen Kaffee? Und irgendetwas zum Frühstück? Ich bin am Verhungern.«
Francesca lachte. »Bist du sicher, dass das alles ist, was du brauchst? Wie wäre es mit Geld? Willst du ein Darlehen?«
Mia umarmte sie. »Auf gar keinen Fall. Du bist doch pleite.«
Mit dieser fröhlichen Bemerkung machte sie sich auf den Weg in die Küche.
Francesca folgte ihr und lehnte sich gegen den Türrahmen. Mia goss sich einen Becher Kaffee ein und fügte einen großzügigen Schuss Milch dazu. Sie nahm einen Schluck, stellte die Tasse dann auf die Arbeitsfläche und öffnete den Gefrierschrank.
»Hat Brenna keine Donuts hiergelassen?«, fragte sie, während sie sich durch ein paar Tupperdosen mit gefrorenen Vorspeisen wühlte – Ravioli, die Grandma Tessa geschickt hatte – und auf eine Notfallportion Ben & Jerry's stieß.
»Ich glaube nicht.« Francesca schüttelte den Kopf.
Mia hielt ihr einen in Folie gewickelten Behälter hin. »Guckst du denn so etwas gar nicht nach? Ich meine, Brenna hat nach der Trennung von Jeff beinahe einen Monat bei dir gewohnt.
Ist es dir da nicht mal in den Sinn gekommen, dass sie ein paar Donuts eingefroren hat?«
»Ehrlich gesagt nein.«
»Für jemanden mit einem Studienabschluss in Psychologie weißt du erstaunlich wenig über deinen Zwilling.«
Francesca lachte. »Ich dachte, sie hätte die Donuts mitgenommen.«
»Hm-mh.«
Mia wickelte die Krispy Kremes aus und ließ sie auf ein Haushaltstuch gleiten. Dann packte sie sie in die Mikrowelle und wählte das Auftauprogramm für fünfzehn Sekunden.
Summend und wackelnd erwachte das alte Gerät zum Leben. Mia runzelte die Stirn.
»Ist das noch sicher? Oder werden wir uns jetzt radioaktive Verbrennungen zuziehen?«
»Ich denke nicht, dass Mikrowellen Radioaktivität freisetzen.«
Mia wollte das Risiko lieber nicht eingehen und trat einen Schritt zurück. Francesca grinste.
Als die Uhr piepte, zog Mia das Haushaltstuch heraus und trug es zum Tisch. »Komm«, sagte sie. »Ich teile mit dir.«
»Das will ich doch hoffen. Wenn Brenna Essen im Haus zurückgelassen hat, gehört es rechtlich gesehen mir.«
Mia schnappte sich ihren Kaffee und zog sich einen Stuhl heran. Trotz der relativ frühen Stunde an einem Samstagvormittag sah sie wach und erholt aus. Ihre Augen waren klar und strahlten. Ihr dunkles Haar hatte frische honigfarbene Strähnen, und ausnahmsweise trug sie einmal nicht so übertrieben viel Make-up, dass sie den Neid eines Las-Vegas-Showgirls auf sich gezogen hätte.
Francesca setzte sich ihr gegenüber und nahm sich einen der dampfenden Donuts.
»Wo ist dein Gesicht?«, fragte sie.
Mia rümpfte die Nase.
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