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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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unserer schönen Reise nach Skandinavien nicht gesehen; so schwankte ich keinen Augenblick, und gestern Abend hat mich, wie Du weißt, das Lichterschiff vor Deinen Augen hier abgesetzt.
    – Nun, erwiderte ich ihm, ich glaube, daß diese Aenderung Eures Reiseplans weder Dich noch Hauptmann Corsican gereuen wird. Selbst für Euch, die Ihr nicht Seeleute seid, muß die Fahrt über den Atlantischen Ocean auf diesem Riesenschiff sehr interessant werden. Dergleichen muß man einmal mit durchgemacht haben. Aber laß uns auf Dich zurückkommen; Dein letzter Brief – und er ist kaum sechs Wochen alt – war aus Bombay datirt; ich mußte Dich demnach noch bei Deinem Regimente vermuthen …
    – Wo wir uns auch noch bis vor drei Wochen befunden haben, fuhr Fabian fort. Wir führten dort die gewöhnliche Existenz indischer Officiere, die halb einem Krieger-, halb einem Landleben gleicht und mehr Jagden als Razzias mit sich bringt. Ich ergreife übrigens hierbei die Gelegenheit, Dir Hauptmann Archibald als einen der größten Tigervertilger seiner Zeit vorzustellen; er ist der Schrecken der Dschungeln. Da wir uns indessen Beide trotz der Reize des indischen Lebens danach sehnten, einmal einige Molecüle europäischer Luft zu athmen, haben wir uns entschlossen, die armseligen Fleischfresser der Halbinsel ein Wenig in Ruhe zu lassen. Wir ließen uns auf ein Jahr Urlaub bewilligen und sind mit der Geschwindigkeit eines Courierzuges durch das Rothe Meer, über Suez und Frankreich nach Altengland geeilt.
    – Nach Altengland, Fabian? nahm lächelnd Hauptmann Corsican das Wort. Wir sind schon jetzt nicht mehr dort, denn wenn wir uns auch gegenwärtig auf einem englischen Schiffe befinden, so ist es doch von einer französischen Gesellschaft gemiethet und trägt uns nach Amerika. Drei verschiedene Flaggen wehen über unseren Häuptern und beweisen, daß wir auf franco-angloamerikanischem Boden stehen.
    – Was schadet das? entgegnete Fabian, dessen Stirn sich einen Augenblick lang unter irgend einem schmerzlichen Eindruck in finstere Falten gelegt hatte, was schadet’s, wenn wir nur unsere Urlaubszeit damit hinbringen. Wir brauchen Bewegung; es thut so wohl, die Vergangenheit zu vergessen und die Gegenwart durch Beobachtungen des Neuen um uns her todt zu machen! in wenigen Tagen werden wir New-York erreicht haben, wo ich meine Schwester, die ich seit Jahren nicht gesehen habe, mit ihren Kindern finde; dann wollen wir den großen Seen einen Besuch abstatten und nächstdem den Mississippi bis New-Orleans hinabfahren. Sodann gedenken wir eine Treibjagd am Amazonenstrom zu veranstalten, und von dort nach Afrika überzugehen, wo sich wahrscheinlich schon die Löwen und Elephanten am Cap ein Stelldichein gegeben haben, um die Ankunft meines Freundes Corsican zu feiern. Hiernach wird es dann wohl an der Zeit sein, nach Indien zurückzukehren, um den Sipoys den Willen der Metropole vorzuschreiben.«
    Fabian hatte mit einer gewissen nervösen Zungengeläufigkeit gesprochen, während seine Brust sich schwer athmend hob und senkte. Augenscheinlich gab es in seinem Leben ein unglückliches Moment, das ich noch nicht kannte, und über das mich seine Briefe absichtlich in Unwissenheit gelassen hatten. Archibald Corsican, der einige Jahre älter war als mein Freund, schien ein tieferes Verständniß hierfür zu haben; er legte ein warmes, wirklich brüderliches Interesse für Mac Elwin an den Tag.
    In diesem Augenblick wurde unsere Unterhaltung durch die Trompete gestört, mit der ein pausbäckiger Steward eine Viertelstunde vorher das um halb ein Uhr stattfindende Lunch verkündete. Vier Mal täglich ließ sich, zur großen Befriedigung der Passagiere, dies heisere Hörnchen vernehmen, um zuerst gegen halb neun Uhr Morgens zum Frühstück, dann um halb ein Uhr zum Lunch, um vier Uhr zum Mittagessen und Abends gegen halb acht zum Thee zu rufen. In wenigen Augenblicken hatten sich die Boulevards geleert und bald saßen alle Gäste bei Tafel, wo es mir gelungen war, einen Platz neben Fabian und Hauptmann Corsican zu bekommen.
    Die Speisesäle waren von vier Tischreihen eingenommen, über denen die Flaschen und Gläser auf ihren Schlingerbrettchen vollständig unbeweglich standen; das Dampfschiff verspürte nicht das Geringste von den Schwankungen der hohen See. Die Gäste, Männer, Frauen und Kinder nahmen ohne alle Besorgniß ihr Lunch ein, während eine Menge Stewards hin-und hereilten, um die sein hergerichteten Schüsseln zu präsentiren. Wer

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