Fauler Zauber
1. Kapitel
Es gab nichts weiter zu tun, nachdem ich den Fall mit den elf Elfen abgeschlossen hatte. Also mußte ich zwei Wochen das Gemeckere und Gemaule des Toten Mannes ertragen, was selbst die Geduld eines Heiligen auf eine harte Probe gestellt hätte. Und ich bin nicht gerade ein Heiliger.
Schlimmer noch: Tinnie hatte auf unbestimmte Zeit die Stadt verlassen. Der Rotschopf weigerte sich, mich mit jemandem zu teilen, den sie nicht kannte. Das Leben war nicht einfach. Abends schlug ich meine Zeit damit tot, zu verhindern, daß die Brauereien Konkurs anmelden mußten. Es war noch früh, und in meinem Schädel schien der Teufel Schmied zu spielen. Entsprechend war meine Laune, als jemand gegen die Tür unseres heruntergekommenen alten Hauses in der Macunado-Street hämmerte.
»Was?« Ungnädig riß ich die Tür auf. Es beeindruckte mich nicht, daß die Frau Klamotten im Wert von ein paar Tausendern auf dem Leib hatte oder daß die Straße von Typen in prächtigen Livrees nur so wimmelte. Dafür hatte ich schon zu viele reiche Leute gesehen.
»Mr. Garrett?«
»Volltreffer.« Ich warf meinen Charme an und nutzte die Gelegenheit, die Lady ausgiebig zu mustern. Hallo … die war einen zweiten Blick wert. Und einen dritten und vierten. Sie war nicht besonders groß, aber es fehlte nichts. Der Hauch eines Lächelns huschte über ihr Gesicht, als ich wieder hochsah.
»Ich bin eine Halbfee«, sagte sie. Ihre ernste Stimme wurde kurz von melodischem Singsang aufgelockert. »Könnten Sie einen Augenblick aufhören zu starren und mich derweil einlassen?«
»Selbstverständlich. Wie war noch mal ihr Name? Kann mich nicht erinnern, Ihnen einen Termin gegeben zu haben. Was nicht heißen soll, daß Sie nicht so oft vorbeikommen könnten, wie Sie wollen.«
»Ich bin geschäftlich hier, Mr. Garrett. Sparen Sie sich Ihre Sprüche für die bösen Mädchen auf.« Sie ging ein paar Schritte an mir vorbei und blickte dann leicht überrascht über die Schulter zurück.
»Das Äußere ist nur Tarnung«, erklärte ich. »Es soll wie eine Bruchbude wirken. Wir wollen die Ehrlichkeit unserer Nachbarn nicht allzu sehr strapazieren.« Mein Büro lag nicht gerade in der vornehmsten Gegend. Es herrschten Krieg und Hitzewelle, deshalb gab es reichlich Jobs, aber einige unserer Nachbarn konnten sich nicht mit der albernen Idee anfreunden, durch ehrliche Arbeit Geld zu verdienen.
»Wir?«, wiederholte sie eisig. »Ich wollte Sie in einer Sache konsultieren, die allergrößte Diskretion erfordert.«
Na und? Das wollen alle meine Kunden. Sie kämen nicht zu mir, wenn sie ihre Probleme durch die üblichen Kanäle regeln könnten.
»Sie können ihm vertrauen«, erwiderte ich und deutete mit einem Nicken ins andere Zimmer. »Er schweigt wie ein Grab. Er ist schon seit vierhundert Jahren tot.«
Ich beobachtete ihr aufschlußreiches Mienenspiel. »Ein Loghyr? Der Tote Mann?«
Also war sie doch keine so vornehme Lady. Jeder, der den Toten Mann kannte, hatte irgendwas mit der Unterstadt von TunFaire zu tun. »Ja. Ich will, daß er zuhört.«
Ich komme viel rum, und mir kommt viel zu Ohren. Einiges davon stimmt, das meiste nicht. Ich hatte draußen die Farben von Sturmwächterin Raver Styx erkannt und konnte mir denken, was sie bedrückte. Es würde Spaß machen, sie mit dem mottenzerfressenen Fleischberg zu konfrontieren, der mein ständiger Hausgenosse war.
»Nein.«
Ich ging in sein Zimmer. Ich habe es mir angewöhnt, ihn jedesmal zu wecken, wenn ich Klienten habe. Nicht jeder Besucher ist wohlgesonnen. Und er kann eine sehr wirkungsvolle Hilfe sein, wenn ihm danach ist. »Wie, sagten Sie noch, war Ihr Name, Miss?«
Das war ein Schuß ins Blaue, und sie wußte es. Sie hätte einer Antwort ausweichen können, zögerte aber nur verlegen, bevor sie sagte: »Amiranda Crest, Mr. Garrett. Und es handelt sich um eine höchst delikate Angelegenheit.«
»Natürlich, Amiranda, das ist nichts Neues. Ich bin in einer Minute wieder bei Ihnen.«
Sie ging nicht weg. Anscheinend war ihr die Sache wichtig genug, um sich herumschubsen zu lassen.
Er gab sich wieder dem hin, was seit einiger Zeit seine bevorzugte Freizeitbeschäftigung geworden war, dem Versuch, die Generäle und Kriegslords im Cantard auszutricksen. Dabei spielte es keine Rolle, daß die Informationen, die er bekam, spärlich, veraltet und meist durch mich gefiltert waren. Er war genauso gut wie die Schlauberger, die die Armeen kommandierten, und besser als die meisten
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