Eine stuermische Braut
Röcke und eilte mit einer Ungezwungenheit, die der Chesters kaum nachstand, den vertrauten Pfad hinunter. Auf dem Weg nach unten ließ sie den Blick nochmals über die Bucht schweifen und registrierte den Plunder, den der Sturm angespült hatte; die Beweisstücke verrieten ihrem geübten Blick, dass es ein Kaufmannsschiff mit großer Fracht gewesen sein musste, das an den messerscharfen Felsen zerschellt war, die unter den Wellen im Nordwesten lauernd hervorlugten.
Auf dem Strand rannte Chester zu Will und Brandon. Linnet unterdrückte den Impuls, ihm hastig zu folgen, und bahnte sich ihren Weg sorgfältig durch die Felsen, um sich erst die Bestätigung zu holen, dass die anderen beiden Männer tatsächlich tot waren und ihre Hilfe nicht mehr brauchten. Dem Ansehen nach zwei Matrosen, beide dunkelhäutig. Spanier?
Sie ließ sie liegen, wo sie waren, und ging durch die Felsen zurück zum Strand bis zu der Stelle nahe den Klippen, wo der dritte Körper lag.
Der fünfzehnjährige Will hatte ihr den Rücken zugedreht, schaute aber auf, als sie sich näherte. Sein Gesicht war ungewöhnlich ernst.
»Er hatte sich an eine Planke geklammert. Wir haben sie angehoben und hergebracht.«
Sie blieb stehen, ließ die Hand auf Wills Schulter sinken und beantwortete die Frage, die er gar nicht gestellt hatte.
»Du kannst keinen Schaden anrichten, wenn er schon auf der Planke liegt und du ihn bewegst.«
Dann betrachtete sie zum ersten Mal ihren Überlebenden. Mit dem Bauch lag er auf der Planke; ein nasses Durcheinander schwarzer Haare verbarg sein Gesicht.
Er war groß. Kein Riese, aber in Gesellschaft würde er beeindruckend wirken. Breite Schultern. Lange, schwere Gliedmaßen. Sie ließ den Blick über seinen Rücken schweifen; stirnrunzelnd bemerkte sie die Wölbung unter seinem durchnässten Mantel. Als sie sich bückte und die Wölbung berührte, spürte sie deren Härte und tastete an der seltsamen Form entlang.
»Es ist ein hölzerner Zylinder in Ölzeug«, erklärte Will, »der in einer ledernen Halterung steckt und mit einer Schlaufe um seinen Gürtel geschlungen ist. Wahrscheinlich müssen seine Arme durch weitere Schlaufen führen, damit alles festsitzt.«
Linnet nickte.
»Merkwürdig.« Trug er diesen Zylinder etwa heimlich? Die Befestigung über den Muskeln seines Rückens wäre unter den Falten des Mantels allerdings aufgefallen, sobald er sich aufgerichtet hätte.
Sie ließ den Blick über seine Beine schweifen, konnte aber keinen Hinweis auf Knochenbrüche oder Wunden entdecken. Er trug eine Stiefelhose und einen lockeren Mantel der Art, wie viele Matrosen ihn trugen. Den rechten Arm hatte er ausgestreckt, und die Finger seiner langen Hand hatten sich um die vordere Kante der Planke gebogen. Die andere Hand jedoch lag auf einer Höhe mit seinem Gesicht; die Finger hielten das Heft eines Dolches mit tödlichem Griff umklammert.
Für einen Schiffbrüchigen doch etwas merkwürdig.
Ihr war bewusst, wie stark ihr Herz klopfte - zwar war sie zu den Klippen gerannt, aber deswegen dürfte es eigentlich nicht so heftig schlagen -, als sie sich bückte und die Waffe anschaute. Kein gewöhnlicher Dolch, stellte sie fest, sondern eher ein langes Stilett. Der Schliff der Klinge war erlesen, das Heft länger als bei den meisten anderen Stichwaffen und mit einem runden Stein an der Kreuzverstrebung verziert. Sie schob die langen, eiskalten, harten Finger fort, die sich um den Dolch klammerten, und reichte ihn Will.
»Halt das mal für mich.«
Der Mann hatte sich nicht gerührt; kein einziger Muskel hatte sich auch nur einen Hauch angespannt. Linnet zog sich zurück, sie war sich bewusst, dass es in ihr zuckte, so als wollten ihre Instinkte sie warnen; und doch wollte es ihr um nichts in der Welt gelingen, diese Botschaft zu entziffern.
Der Fremde war schließlich so gut wie tot - obwohl sie nicht genau sagen konnte, ob er es nicht vielleicht doch schon ganz war -, wie hätte er also gefährlich sein können?
»Ein Schwert hat er auch«, sagte Brandon auf der anderen Seite der Planke, »hier.«
Linnet schaute auf die Stelle, auf die Brandon gezeigt hatte, und löste dann die Schlaufe, mit der der Säbel am Gürtel des Mannes befestigt war. Vorsichtig zog sie die Waffe unter dem Bein des Mannes hervor, richtete sich auf und betrachtete sie.
»Es ist ein Säbel. Aus der Kavallerie.« Während des Krieges hatte sie genug davon gesehen. Aber der Krieg war nun schon lange vorbei, die Kavallerie hatte sich
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