Eine Tankstelle fuer die Seele

Appartement gleich gar nicht vorhanden, und ihr Mann musste sich bittere Vorwürfe machen lassen. Dabei lamentierte sie, dass sie ja ohnehin immer das Opfer sei. In diesem Urlaub sollte nun alles anders werden, das hatte sie sich vorgenommen. »Wie es der Teufel will«, ging diesmal noch mehr schief. Während unserer Arbeit mit Musik war in ihrer Vorstellung tatsächlich ein Teufel aufgetaucht, nicht wirklich gefährlich, aber auf seine Art mächtig. In gewisser Weise schien er sie in der Hand zu haben, so jedenfalls beschrieb sie ihre Erfahrung. Während der letzten Musikreise vor dem Urlaub hatte sie dem Teufel den Kampf angesagt, diesmal werde sie ihm nicht freie Hand lassen, sondern versuchen, nicht auf Knopfdruck zu reagieren bzw. zu handeln. Die auftauchenden Schwierigkeiten meisterte sie dann tatsächlich fast fröhlich und erklärte ihrem Mann, dass Urlaub ja schließlich auch noch ein bisschen abenteuerlich sein sollte. Der war zunächst verwirrt und verfiel am Ende in ihre frühere Rolle, war kritisch und auch ein wenig launisch. Es war so, als würde ihr Teufelchen ihr dabei vergnügt zuzwinkern. So konnte sie gelassen bleiben und am Ende wurde es für beide noch ein schöner Urlaub.
    So ist es oft, wenn einer aus seiner gewohnten Rolle fällt, sein Muster verändert: Dann muss der andere auch erst seinen Platz neu finden. Das Spiel »Ich bin sanft, weil du aggressiv bist« oder »Ich bin schwach, weil du zu stark bist« funktioniert dann nicht mehr so einfach.
    Ein Muster zu verändern braucht allerdings in der Regel Zeit, es ist ein Prozess, der uns oft viel Geduld abverlangt.

Alles Leben ist Prozess
    Man könnte sagen, alles Leben ist »Entwicklung, Fortschreiten oder Vorwärtsgehen«, so die Übersetzung des lateinischen Wortes »processus«. Prozesse kennzeichnen unser Leben zum Beispiel in Form von Wachstums-, Entwicklungs- und Alterungsprozessen. Unsere Sprache kennt viele Prozesse: Reifungsprozesse, Entscheidungsprozesse, Ablösungsprozesse, Trauerprozesse und Gerichtsprozesse. Was alle diese Prozesse verbindet, ist der Weg, der in verschiedenen Stufen gegangen werden muss. Aber auch wenn das Wort »Prozess« nicht überall vorkommt, wissen wir doch, dass fast alles im Leben diesem Geschehen unterworfen ist. Dabei geht es manchmal schneller und manchmal braucht es mehr Zeit. Jedes Problem, das zu lösen ist, und jede Entscheidung, die zu treffen ist, folgt diesem Gesetz und zeigt einen gewissen Verlauf. Die Schwierigkeit ist, dass wir das Ende meist in seiner Konsequenz nicht wirklich absehen können, während der Prozess der Lösungsfindung im Gange ist. »Trust the process« war deshalb das »Mantra« meiner amerikanischen Musiktherapie-Ausbilderin Stephanie Merritt. Ja, wenn das immer so leicht wäre, dem Prozess zu vertrauen … Stephanie selbst war, was das Vertrauen in den Entwicklungsprozess eines Menschen betraf, von unerschütterlichem Optimismus. Überzeugt von einem inneren Lebensplan und einer damit verbundenen inneren Führung, sah sie in allen Herausforderungen des Lebens Sinn – dort wo andere bereits verzweifelten. Dieses Vertrauen hat sie auch dann bewiesen, als sie selbst in schwierigste Prüfungen geriet.
    Lassen Sie Ihre Gedanken für einen Augenblick zu Ihrem eigenen Leben schweifen. Welche Prozesse haben Sie durchgemacht: Krankheitsprozesse, Problemlöseprozesse, Schwangerschaft, das Erwachsenwerden der Kinder, Sterbeprozesse von Angehörigen? Erinnern Sie sich, welch unterschiedliche Phasen es dabei gab? Manchmal sah alles ganz gut aus, manchmal war es zum Verzweifeln. Und erinnern Sie sich bitte jetzt an Momente, in denen Sie ganz sicher waren, dass alles gut gehen würde. Betrachten wir auf diese Weise unser Leben, so werden wir feststellen, dass wir zwar das Leben nicht immer in der Hand hatten, es aber trotzdem oft gut gegangen ist. Es scheint also eine Art innere Führung zu geben, auch wenn wir ihr oft nicht vertrauen, wenn wir von Zweifeln geplagt werden oder jedermann um Rat fragen, nur nicht die eigene Intuition. Sie wäre die richtige Ratgeberin in vielen Lebenslagen, weil sie mit der inneren Führung in Beziehung steht.
    Sollten Sie an Ihrer inneren Führung wieder einmal zweifeln, dann machen Sie sich bewusst, dass in einem Apfelkern das ganze Potenzial, der ganze Plan für den Apfelbaum enthalten ist, in einem winzigen Sperma und einem Ei die Information für einen ganzen Menschen. Sollte es dann nicht auch in unserem ganzen Leben eine gestaltende Kraft geben,