Eine unberührte Welt - Band 1 (German Edition)
Eisenhardts aufstrebender Kollege konnte endlich den Abschluss seines ersten, auf Anhieb lukrativen Verlagsvertrages vermelden, was mit einem Essen bei ihrem Lieblingsitaliener gebührend gefeiert wurde.
Leider stellte sich bald heraus, dass viele der neuen Verlage von eher windigen Geschäftemachern gegründet wurden, denen es nur darauf ankam, staatliche Gelder abzuzocken, und die von Büchern überhaupt keine Ahnung hatten. Die Literatursubventionen erreichten bald einen solchen Umfang, dass der Etat des Wirtschaftsministeriums nicht mehr ausreichte. Der Finanzminister forderte vor Bewilligung neuer Gelder jedoch eine Querfinanzierung, und obwohl die Opposition in gewohnter Weise wetterte, eine Steuererhöhung sei in der aktuellen Situation Gift für die Wirtschaft, einigte man sich darauf, einen AuArSch-Beitrag in Höhe von 1% auf den Solidarbeitrag zur Einkommenssteuer zu erheben, was allgemein als maßvolle Regelung betrachtet wurde. Überdies schuf sie Arbeitsplätze in IT-Unternehmen und Druckereien, da in alle Steuerformulare und Bescheide eine weitere Spalte einzufügen war.
Die BILD-Zeitung nannte die neue Abgabe den »Goethe-Pfennig«, und obwohl sie selbstverständlich in Euro und Cent erhoben wurde, bürgerte sich dieser Ausdruck umgehend ein.
Die Literatursubventionen waren damit gesichert, die neueVerlagslandschaft blühte und gedieh. Einziger Wermutstropfen war, dass immer mehr Leute erklärten, sie hätten das Lesen aufgegeben, weil bloß noch Schrott auf den Markt käme.
Eine gleichlautende Umfrage des Instituts Allenbach war das Argument, mit dem es den Kultusministern endlich gelang, die Literaturförderung an sich zu ziehen. Man war sich einig, dass das ein Schritt in die richtige Richtung war, erst recht, als die Kultusministerkonferenz erklärte, es gehe nicht mehr an, alles und jedes zu fördern: Die Bewilligung von Zuschussanträgen müsse künftig zwingend von der Prüfung des literarischen Gehaltes eines Werkes abhängig gemacht werden.
Hierzu wurden in allen Ländern entsprechende Kommissionen eingerichtet und Gutachterstellen in ausreichender Zahl geschaffen, auf denen erfreulicherweise vorwiegend eben jene Lektoren unterkamen, die im Zuge der Pleitewelle unter den Kleinverlagen arbeitslos geworden waren. So wirkte das AuArSch-Gesetz auch hier segensreich.
Die ersten literarischen Prüfungen stießen jedoch auf heftige Kritik; Verleger und Autoren nannten die Gutachten »ahnungslos«, »parteilich« oder Schlimmeres. Eine öffentliche Diskussion entbrannte darum, ob Literatursubvention künftig eine Frage persönlicher Vorlieben einzelner Gutachter sein solle. In der Folge wurde eine neue, bundesweite Autoren-Gewerkschaft gegründet, die durchsetzte, dass von nun an in den Prüfungsgremien auch Gewerkschaftsvertreter sitzen würden, und ferner, dass sich eine paritätisch besetzte Kommission bildete mit dem Ziel, bundesweit einheitliche Prüfungskriterien zu erarbeiten.
Dieser Autoren-Gewerkschaft trat auch Peter Eisenhardt bei, auf Anraten seines Agenten. »Wenn Sie kein Mitglied sind, haben Sie künftig keine Chance mehr, das ist ein offenes Geheimnis«, erklärte er ihm.
Allerdings kam Eisenhardt sowieso kaum noch zum Schreiben. Es galt, anhand der im Internet kursierenden Verzeichnisse informiert zu bleiben, welcher Gutachter welche Vorlieben und Abneigungen hegte, und seinem Manuskript durch rechtzeitigen Wechsel des Wohnsitzes bessere Chancen im Prüfungsverfahren zu verschaffen. Dabei ging es um viel Geld, denn der Goethe-Pfennig war im Zuge der Reorganisation von 1% auf 5% angehoben worden.
Unerfreulich lediglich, dass der Buchhandel weiter über nachlassende Umsätze klagte. Befragt, äußerten sich viele Leser und ehemalige Leser dahingehend, die Belletristik sei neuerdings so schematisch geworden, wirklich Neues und Interessantes bekäme man kaum noch zu lesen.
Ein Bericht des Bundesrechnungshofes offenbarte in der Tat, dass trotz der gesetzlichen Mindestauflagen die absoluten Verkaufszahlen der meisten Titel nicht nennenswert gestiegen waren. Stattdessen wurden mehr Bücher makuliert als je zuvor, und zwar um ein Vielfaches.
Dies rief den Umweltminister auf den Plan: Es gehe nicht an, dass Bücher gedruckt würden, nur um später im Reißwolf zu landen. Damit setzte er sich durch, und so enthielt die 3. Ergänzungsregelung zum AuArSch-Gesetz ein weitgehendes, den zugehörigen Verwaltungsvorschriften zufolge äußerst restriktiv handzuhabendes Makulierverbot.
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