Eine unberührte Welt - Band 2 (German Edition)
Eis gefüllt war, einem grauen, harten Material, das beinahe aussah wie Asphalt. Jemand hatte ihr einmal erklärt, was das war, wie man es nannte und wie es sich wahrscheinlich gebildet hatte, aber sie hatte es wieder vergessen, weil sie damals nur mit halbem Ohr zugehört hatte. Vorahnungen waren noch nie ihre Stärke gewesen.
Vor allen Dingen hätte sie nicht allein starten dürfen. Als sich herausgestellt hatte, dass ihr Kopilot nicht einsatzfähig war, hätte sie die Verfolgung der defekten Forschungssonde aufgeben müssen, anstatt es allein zu wagen. Natürlich, Forschungsdaten waren wertvoll – aber nicht wertvoll genug, um einen Verstoß gegen elementare Richtlinien zu rechtfertigen. Wäre Jim Meyer neben ihr gesessen, hätte er die Annäherungswarnung gesehen, und sie hätten genug Zeit gehabt für entsprechende Maßnahmen. Sie hätten den Meteoriten mit dem Laser abschießen können, hätten den Magnetschirm aktivieren können oder eine Ausweichrolle drehen, und währenddessen hätte einer von ihnen nebenher Kaffee gemacht. Es wäre Routine gewesen, über die sie kaum nachgedacht hätten.
Sie erreichte das erste Trümmerteil, ein Stück derAndockvorrichtung, massiv und schwer. Und vollkommen unbrauchbar. Sie schaute zurück. Von hier aus sah das kleine weiße Zelt, in dem sie die letzten Tage verbracht hatte, so klein und verloren aus, dass einem fast die Tränen kamen. In diesem winzigen Refugium hatte sie geschlafen, gegessen, getrunken, mit der nahenden HOMELAND kommuniziert und wider alle Vernunft gehofft.
In diesem winzigen Refugium würde sie sterben.
Ein harter Ring aus Federstahl schien sich um ihre Brust zu schließen, während sie mit wütender Energie die übrigen Trümmerstücke ablief, untersuchte, nichts fand. Nein, man konnte auch Callisto nicht die Schuld geben. Die Forschungsstation, die den Jupitermond Callisto in einer niedrigen, überaus stabilen Bahn umkreiste und unentwegt wertvolle Daten über den Jupiter sammelte, war bis zu ihrer und Jims Ankunft zwei Jahre lang von fünf Männern und einer Frau bewohnt gewesen. Fünf gesunden Männern und einer gesunden Frau. Und als Jim und sie mit ihrem Frachter angedockt hatten, stellte sich heraus, dass es auf der Station noch wilder zuging, als selbst die wildesten Gerüchte in den Raumfahrerkneipen behauptet hatten. Kein Wunder, dass Jim ein wenig ausgerastet war.
Aber einfach allein zu starten war auch eine Form von Ausrasten. Und die schlimmere.
Sie wusste, dass sich Jim Vorwürfe machte. In den Tagen nach dem Absturz hatten sie viel miteinander gesprochen. Da war es noch um Rettung gegangen, um Kopf hoch und nicht aufgeben. Jim hatte die Verbindung zur HOMELAND hergestellt, die unterwegs war, um eine Forschergruppe auf Io abzusetzen, aber sofort ihren Kurs angepasst hatte, um einen Orbit um Europa zu erwischen. Ehrensache unter Raumfahrern.
Jetzt war Callisto auf der anderen Seite des Jupiter, unerreichbar für Funksignale.
Joan spürte es wie einen Schlag, als es sie jäh anfiel: Sie würde nicht mehr mit Jim reden können. Callisto würde aus dem Funkschatten herauskommen, und sie würde tot sein. Sie hatte versäumt, Jim zu sagen, dass es nicht seine Schuld war, und nun würde sie es ihm nicht mehrsagen können. Auch nicht, dass sie ihn immer gemocht hatte, obwohl er mit seinen Annäherungsversuchen unterwegs nicht viel Glück gehabt hatte. Dass sie ihn gemocht hatte. Das hatte sie ihm nie gesagt. Immer nur dumme Witze hatten sie gerissen, aber einander nie gesagt, dass sie sich gut leiden konnten.
Sie fühlte sich elend, als sie das Zelt wieder erreichte. Sie kroch durch die Luftschleuse hinein, nahm dann nur den Helm ab und blieb in der Dunkelheit liegen, ohne den Raumanzug auszuziehen. Wozu auch. Es gab nichts mehr zu tun. Nichts war mehr wichtig.
Nach einer Weile setzte sie sich auf. Es gab sehr wohl noch etwas zu tun. Es gab sehr wohl noch Dinge, die wichtig waren. Sie holte das Aufzeichnungsgerät aus der Tasche, schaltete es ein und begann zu sprechen. »Pilotin Joan Ridgewater, am siebten Juli 2102, Jupitermond Europa. Die nachfolgende verschlüsselte Aufzeichnung ist für Pilot Jim Meyer. Ich bitte um persönliche Zustellung.«
Sie zog die klobigen Handschuhe aus und tippte Jims Briefcode ein. Die Aufzeichnung würde nun in einer Weise verschlüsselt werden, dass nur Jim mit seinem persönlichen Code, den niemand außer ihm kannte, sie wieder anhören konnte. »Jim, hier ist Joan. Wie es aussieht, werden wir uns
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