Eine unberührte Welt
hatte er den Knebel schon griffbereit.
Sie hatten mich nämlich aus demselben Grund an den Stuhl gefesselt, aus dem Sie, mein lieber Freund, hier sitzen. Auch Sie werden warten müssen, bis das Raumschiff der Fremden gelandet ist und die Besucher aus dem All zum Vorschein kommen. Meistens sind es zwei, aber wenn wir Glück haben, auch drei oder vier. Sie sehen seltsam aus, aber sie sind … Wie soll ich sagen? Freundlich? Arglos? Gefesselt und geknebelt werden Sie mit ansehen müssen, wie wir ihnen entgegentreten. Wie wir sie lächelnd in unsere Mitte bitten.
Und wie einige von uns … na ja, wie sie tun, was eben getan werden muss. Eine schöne Sache ist es nicht. Erschrecken Sie übrigens nicht, das Blut der Fremden ist gelb; es sieht fast aus wie Eiter. Aber es ist keiner. Man kann es problemlos abwaschen.
Sobald dann die ersten Stücke gebraten sind, gegrillt über den Holzkohlefeuern dort drüben, werden wir Ihnen den ersten Bissen mit Gewalt in den Mund schieben. Ein paar von den Jungs haben, was das anbelangt, sehr wirkungsvolle Griffe drauf.
Und dann, mein lieber, glücklicher Freund, wird es Ihnen genauso ergehen, wie es jedem Einzelnen von uns hier ergangen ist: Sie werden kauen, Sie werden schlucken, und Sie werden verstehen.
Denn nichts, was Sie je im Leben gegessen haben, wird sich messen können mit diesem gegrillten Stück Fleisch. Nichts, was unser erbärmlicher Planet hervorbringt, kann es mit diesem unwiderstehlichen, diesem göttlichen Aroma aufnehmen, diesem wahrhaft überirdischen Geschmack, diesem … diesem … Ah! Ich versuche immer wieder, es in Worte zu fassen, aber es gibt einfach Dinge, die kann man nicht erklären. Sie werden sehen.
Nach ein, zwei Bissen werden wir Sie losbinden. Sie können später helfen, das Raumschiff in handliche Stücke zu schneiden. Die schmelzen wir im Stahlwerk vollends ein, damit keine Spur zurückbleibt und niemand herausfindet, wo die Fremden abgeblieben sind. Das nächste Mal zeigt Jim Ihnen dann, wie man sie richtig ausnimmt und zerlegt.
Die grässliche Geschichte vom Goethe-Pfennig
Im Juli 2005 fragte ein Redakteur einer der wichtigsten Wirtschaftszeitschriften Deutschlands bei mir an: Man feiere im Herbst das Jubiläum des Blattes, wolle dazu eine besondere Ausgabe machen, ob ich mir vorstellen könne, dafür eine Story zu schreiben? Er hatte auch gleich relativ konkrete Vorschläge, so konkret in der Tat, dass ich mich hätte fragen sollen, warum er die Story denn nicht selber schrieb.
Da ich dieses Blatt in meiner Zeit als aufstrebender Jungunternehmer selber gern und mit dem Gefühl, etwas davon zu haben, gelesen hatte, sagte ich nach Klärung der Randbedingungen (Honorar, Umfang, Ablieferungstermin) zu, trotz eines eigentlich schon ganz gut gefüllten Zeitplans.
Zur Inspiration bekam ich einige aktuelle Ausgaben des Magazins zugeschickt, die ich an zwei aufeinanderfolgenden Abenden durchschmökerte und die mich, ja, tatsächlich inspirierten. Womit ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet hatte, denn normalerweise funktioniert so etwas wie »Inspiration auf Kommando« bei mir nicht. Aber tatsächlich kam mir beim Lesen all dieser Wirtschaftsberichte, Interviews mit Unternehmern, Kolumnen über neue Steuern und Vorschriften und so weiter eine Idee, die sich im Lauf der Lektüre immer weiter konkretisierte und schließlich so unwiderstehlich wurde, dass ich mich hinsetzen und in den darauffolgenden Tagen nichts anderes tun konnte als diese Story zu schreiben, die für mich so etwas wie die Quintessenz aus all dem Gelesenen war – und meinen eigenen Erfahrungen als Unternehmer. So viel hatte sich gar nicht geändert. Noch immer hakt und krankt die Wirtschaft daran, dass der Staat sich unverdrossen in immer mehr Bereiche einmischt, in denen er nur Unheil anrichten kann.
Nachdem ich die Story fertig hatte, gab ich sie meiner Frau zu lesen. Die war begeistert. Ich gab sie meinem Agenten zu lesen, der auch begeistert war. Ich schickte sie an den Redakteur besagter Zeitschrift …
… der sie ablehnte. Man habe sich doch etwas anderes vorgestellt. Mehr SF-mäßig. Eher so etwas wie ein Tag im Leben eines Menschen im Jahr 2050. Wie jemand morgens aufsteht und von allerhand intelligenter Haustechnik umsorgt und umhegt wird. Wie er mit Hilfe weltweiter Netze und Computern und so weiter seiner Arbeit nachgeht. Und so.
Ich war etwas gefrustet, musste aber zugeben, dass in den anfänglichen Gesprächen tatsächlich der Begriff Science Fiction gefallen
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