0400 - Todeszone Silbermond
Sid Amos stand mit hängenden Schultern da. Er starrte fassungslos die Stelle an, an der sich gerade eben noch vier… nein, fünf Menschen befunden hatten. Sie waren fort. Einfach verschwunden.
Und Merlins Gesicht, das äußerstes Entsetzen zeigte…
Amos preßte die Lippen zusammen. Es war fehlgeschlagen. Restlos.
»Murphys Gesetz«, murmelte Amos. »Wenn es etwas gibt, das auch nur theoretisch die Möglichkeit hat, schiefzugehen, wird es schiefgehen, und die Marmeladenschnitte fällt immer mit der Butterseite nach unten auf den Perserteppich.«
Dabei hatte es vielversprechend begonnen.
Professor Zamorra hatte eine Idee entwickelt. »Versuchen wir es mit Merlins Machtspruch«, hatte er vorgeschlagen. »Das hatten wir noch nicht, und wenn es auch nicht funktioniert, können wir uns immer noch etwas anderes überlegen!«
Wie Zamorra selbst, hatte sich auch Amos gefragt, warum keiner von ihnen schon früher auf diese Idee gekommen war. Sie hatten nahezu alles ausprobiert, Merlin aus dem Eiskokon gefrorener Zeit zu befreien, in den ihn die Zeitlose kurz vor ihrem Tod eingesponnen hatte. Mit normaler Magie, mit Reek Norrs Sauroiden-Zauber aus der Parallelwelt mit dem höheren Magie-Niveau, mit der Kraft Sara Moons, die die Tochter der Zeitlosen und Merlins war und die Magie der Zeitlosen geerbt haben mochte – alles war fehlgeschlagen. Das Gefängnis aus gefrorener Zeit blieb unzerstörbar.
Nur auf die Idee, es mit dem Machtspruch zu versuchen, waren sie ganz zuletzt gekommen.
Zamorra, seine Gefährtin Nicole Duval und die beiden Druiden Gryf und Teri hatten sich geistig zusammengeschlossen, um ihre magischen Fähigkeiten gegenseitig so weit wie nur eben möglich zu steigern. Sid Amos schloß sich diesem Verbund nicht an; er wußte nur zu gut, daß die beiden Druiden ihn ablehnten und das zu einem Störfaktor werden würde, der den Erfolg des Experimentes zunichte machen mußte. Statt dessen hatte sich Amos als »Überwacher« zurückgehalten, der im Notfall eingreifen sollte. Und er hatte eines seiner Amulette zur Verfügung gestellt, um das von Zamorra zusätzlich zu unterstützen.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sich die Kraft aufbaute, die nötig war.
Und Merlins Machtspruch sollte nun die entscheidende Wende einleiten.
Analh natrac’h – ut vas bethat – doc’h nyell yen vvé!
Und es hatte funktioniert!
Der Zeitkokon um Merlin war geschmolzen. Der Magier von Avalon war endlich, nach so langer Zeit, wieder freigekommen. Nach einer Zeit, die für ihn selbst nicht verflossen war. Für ihn hatte sie stillgestanden, solange er sich in seinem Eisgefängnis befand. Für sein Empfinden mußte in der gleichen Sekunde, in der er dem Zauber der Zeitlosen unterlag, auch die Befreiung gekommen sein.
Aber es war noch mehr gekommen.
Amos begriff immer noch nicht, was eigentlich geschehen war. Er wußte nur, daß eine unsichtbare Faust aus dem Nichts heraus zuschlug. Er sah, wie Merlins Gesicht sich verzerrte. Angst, Entsetzen zeigte. »Zu spät«, hatte Merlin noch tonlos geflüstert, dann kam das grelle Aufleuchten, und mit ihm verschwanden sie alle fünf – Merlin und seine vier Befreier!
Amos hatte noch versucht, das Unheil aufzuhalten. Aber er war nicht schnell genug gewesen. Er hatte gar nicht schnell genug sein können, denn das Unheil hatte ohne jede Vorwarnung zugeschlagen.
Jetzt waren sie fort.
Tot… ?
Oder nur irgendwohin geschleudert?
Amos brauchte eine Weile, um wieder zu sich selbst zu finden. Er begann mit seinen magischen Mitteln zu suchen. Wenn sich die Verschollenen noch irgendwo auf der Welt befanden, mußte er sie finden.
Doch er fand sie nicht, auch nach vielen Stunden nicht. Das bedeutete: Sie waren entweder tot, oder sie waren in eine andere Welt versetzt worden.
Doch er konnte ihre Spur nicht mehr aufnehmen. Es gab keine, die ihn in eine andere Dimension führen konnte.
Er mußte sich damit abfinden. So lange hatte er, der durch Merlins Vermächtnis zum unfreiwilligen Stellvertreter oder auch Nachfolger des weisen Magiers bestimmt worden war, gehofft, daß es eine Möglichkeit gab, Merlin wieder zu wecken. So lange hatte er darauf gewartet, daß Merlin sein Amt wieder antrat und er, Amos, seiner ungeliebten Verpflichtung ledig sein würde.
Aber nun, nachdem Merlin erwacht war, war alles noch viel schlimmer.
Er war fort oder tot… und Amos war immer noch an Caermardhin und an Merlins Aufgabe gebunden! Und – mit Merlin hatte es auch seine besten Mitstreiter und Helfer
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