Eine ungewöhnliche Begegnung - Fforde, K: Eine ungewöhnliche Begegnung - Stately Pursuits
Katzenleichnam würde sie schnurstracks zurück in die Abgründe der Depression befördern.
Die Katze tat ihr den Gefallen und streckte vorsichtig eine Pfote heraus. Doch obwohl es im Ofen langsam heiß wurde, wagte sie sich nicht in die Küche hinaus. Hetty konnte sie gut verstehen. Sie hatte den Ofen die ganze Nacht auf voller Kraft laufen lassen, doch der einzige spürbare Temperaturunterschied zwischen der Küche und der freien Natur bestand darin, dass der eisige Februarwind hier drinnen nicht wehte.
»Na, komm schon.« Sie streckte die Hand aus. »Komm raus und erzähl mir, wer dich gefüttert hat.«
Die Katze miaute fast lautlos, ließ sich dazu herab, die Hand zu beschnüffeln, und ehe Hetty wusste, wie ihr geschah, hatte das Tier sich ihre jeansbekleideten Beine bis zu ihrer Schulter hinaufgekrallt. Sehr lautes Schnurren drang ihr ins Ohr. Hetty war ein wenig überrumpelt, aber immerhin dankbar, dass sie wegen der Kälte jedes Kleidungsstück trug, das sie mit hergebracht hatte. Sie stellte fest, dass die Katze extrem schlechte Zähne hatte.
»Ich glaube kaum, dass es im Laden Mundwasser für Katzen gibt, selbst wenn das Sortiment so wunderbar ist, wie Mum behauptet«, sagte sie. »Aber ich sollte trotzdem mal hingehen.«
Die Katze blieb auf ihrer Schulter, während sie sich auf die Suche nach ihrer Handtasche machte. Es war eine warme, tröstliche, wenn auch etwas schwere Präsenz. Hetty summte in der Tonlage des Schnurrens. Man konnte es kaum als singen bezeichnen, doch das Wiedererwachen ihrer Stimmbänder hob ihre Laune.
Hetty befreite sich von der Katze und zog die Barbour-Jacke ihres Vaters an, die sie ohne sein Wissen geborgt hatte, und begab sich dann über den baumgesäumten Weg zu der kleinen Ansammlung von Cottages, die zusammen mit dem Dorfladen, der Kirche, der ehemaligen Schule und dem Pub die präsentable Hälfte des Örtchens ausmachte. Die Sozialwohnungsbauten, Autowerkstätten und Gewerbebetriebe hatte man außer Sichtweite des erhaltungswürdigen Ortskerns errichtet.
Am Ende der Allee hielt Hetty an und sah zum Haus zurück. Als sie am Abend zuvor angekommen waren, war es schon dunkel, darum war dies die erste Gelegenheit, um es nach mehr als zwanzig Jahren wieder in Augenschein zu nehmen.
Drei ungleiche Giebel aus graugoldenem Stein reckten sich gen Himmel. Aus einem ragte ein Erker mit drei Fensterreihen hervor, gekrönt von einem brustwehrartigen Balkon. Das war vermutlich der jüngste Teil des Hauses, aus der Zeit, da der Wollhandel den Reichtum ebenso wie die Schafherden der Gegend anschwellen ließ. Offenbar hatte die Familie ihren Wohlstand aller Welt zeigen wollen. Sie stellte sich die fein gekleidete Dame des Hauses im sechzehnten Jahrhundert vor - die eine auffällige Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatte -, die seine Lordschaft aufforderte, den Erker anbauen zu lassen, damit sie ein sonniges Plätzchen zum Sticken hatte.
Der mittlere Giebel war breiter und flacher, der ursprüngliche Kern des Hauses, wo sich die Halle und die Küche befanden. Er stand seit dem finsteren Mittelalter und war, nach der Küche zu urteilen, seither kaum verändert worden. Der dritte Giebel war kleiner und hatte ebenfalls einen Erker, der die Morgensonne für das einstige Damenzimmer einfing, das inzwischen zum Wohnzimmer degradiert worden war. Dachpfannen im gleichen Graugoldton lugten zwischen dem dichten Efeu hervor, das bis zu den Schornsteinen hinaufrankte, die in Dreiergruppen zusammengedrängt standen. Wann waren sie wohl zuletzt gefegt worden?, fragte sie sich.
Es war kein Haus für Puristen. Zu viele ungenehmigte Veränderungen waren vorgenommen worden, als dass man seine Geschichte deutlich hätte ablesen können. Es war kein perfektes Beispiel irgendeiner Epoche. Aber für Leute, die das Geheimnisvolle mochten, die gern rätselten, was wann und wo angebaut worden war, war es das reinste Paradies. Das letzte Mal hatte Hetty das Haus an einem warmen Sommertag gesehen. Ein riesiges Zelt war im Garten errichtet worden; es war die Hochzeit irgendeines Vetters. Hetty, die kleine Brautjungfer im Laura-Ashley-Rüschenkleid, war mit ihrer Partnerin durch das Haus gestreift und hatte gedacht, wie riesig und geheimnisvoll es doch war. Seltsamerweise war es mit den Jahren nicht kleiner oder weniger geheimnisvoll geworden.
Das Dorf, das sie gute zwanzig Minuten später erreichte, zeigte deutliche Anzeichen vom Kampf ums nackte Überleben. Die Schule, die dem Pub gegenüber auf der anderen Seite
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