Einfach ein gutes Leben
Anfang steht für die Selbstorganisierer oft der Impuls, Verantwortung zu übernehmen und ihre unmittelbare Umgebung selbst zu gestalten. Wenn niemand sonst, kein Bürgermeister, keine Arbeitgeberin, kein Nachbar und keine Regierungschefin, mit dem Umlenken beginnt, dann, so denken die Selbstorganisierer, müssen wir es eben tun. Das ist der Grundimpuls für eine starke Bürgerschaft, derer es in einer subsidiären Politik und Wirtschaft bedarf. Der dritte Weg wäre ein Weg bürgerschaftlicher Eigenverantwortung.
Lisa und Michael haben einen eigenen Garten für ihre eigenen Lebensmittel. Frauke Hehl hat sich ihre eigenen Formen des Broterwerbs erfunden. Niels Boeing und seine Mitstreiter wollen dafür sorgen, dass in ihrer Stadt die eigenen, nämlich die Interessen der Bürger, gewahrt bleiben. Die Vielfalt der Selbstorganisierer, ihrer Herkünfte und Aktivitäten hat mich überrascht. So verschieden sie sein mögen und so schwierig es ist, sie in einem einzigen Buch unter einen Nenner zu stellen, möchte ich sie hier doch zusammenbringen, weil sie alle zu einer Sache beitragen: Alternativen zu unserer Wirtschaftsform und den aus ihr resultierenden Lebensweisen zu entwickeln. Um die Überschaubarkeit zu wahren, habe ich den Selbstorganisierern fünf Motivbereiche zugeordnet, die sich in den folgenden fünf Kapiteln widerspiegeln. Eine kategorische Einteilung will ich damit auf keinen Fall erreichen, Überlappungen gibt es genug (Nachbarschaftsgärten zum Beispiel könnten in allen Bereichen eine Rolle spielen). Mein Versuch, etwas Ordnung in die überbordende Vielfalt zu bringen, sieht so aus:
Der erste Bereich ist derjenige der zum (Über-)Leben allernotwendigsten Güter, der Nahrungsmittel. Die Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist historisch nicht neu, bei uns allerdings zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten. Sie erlebt nun eine Renaissance, weitere Entwicklung offen. (Kapitel 2)
In den zweiten Bereich fallen alle sonstigen Güter und Dienstleistungen: Kleidung, Haushaltshilfe, Fahrdienste, Möbel, Computerzubehör oder Anleitung in Textverarbeitung. Auch den Handel mit diesen Gütern und Dienstleistungen möchte ich hier unter die Lupe nehmen. Denn sowohl in der Eigenarbeit, also dem Herstellen in Eigenregie, als auch dem alternativen Tausch beziehungsweise Markthandel tut sich einiges. (Kapitel 3)
Erwerbsarbeit hat in unserer Gesellschaft einen großen Stellenwert, deshalb gehört ihr ein eigener Bereich. Eine Vielfalt an alternativen Erwerbs- und Unternehmensformen hat sich über die Zeit herausgebildet, ein Prozess, der durch den Druck des Arbeitsmarktes weiter befördert wird. Stellenweise wird sogar die Frage laut, ob Arbeit in ihrer heutigen Form generell noch akzeptabel ist. (Kapitel 4)
Tätig sein in Gemeinschaften und in Kooperation mit anderen wird von vielen als Alternative zur Arbeit unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gesehen. Wie hier konsequente Gegenmodelle gesetzt werden, die auf Zusammenarbeit statt auf Wettbewerb und Konkurrenz beruhen, ist Inhalt des vierten Bereiches. (Kapitel 5)
Schließlich leben Menschen auch immer in Räumen, die Menschen gestaltet haben. Diese Räume werden unter anderem für ökonomische Zwecke genutzt und unterliegen daher zum Teil ökonomischen Nutzenbedingungen. Der fünfte Bereich zeigt vor allem die Städte als einen solchen Lebensraum, der selbst Gegenstand von alternativen Vorstellungen eines guten Lebens sein kann. (Kapitel 6)
Lebensmittel, Güter, Arbeit, Gemeinschaft, Lebensräume: Die fünf Bedürfnisfelder, um die es hier gehen soll, fassen die einzelnen Bedürfnisse übersichtlich zusammen.
Mein alter Fiesta steht immer noch vor dem Haus neben dem Gehsteig. Neulich, als ich das Profil der Reifen überprüfte, fiel mir auf, wie viel Unkraut in den Spalten zwischen den Gehsteigplatten wächst. Ein hübsches Bild für das, worum es hiergeht, so ein Gehsteig. Überall sind Lücken gelassen. Der Stein kann noch so hart sein, durch die Ritzen dringt immer wieder Grün. Es findet einen Weg. Es schiebt sich nach oben, breitet sich aus und wird, wenn man es lässt, irgendwann – in gar nicht langer Zeit – den gesamten Gehsteig überwuchert haben. Unkraut? Ein hässliches Wort für etwas so Lebendiges. Und gar nicht passend für die Menschen in meinem Buch.
Sie haben recht, denke ich. Wir werden uns an eine andere Gesellschaft mit einem anderen ökonomischen Verhalten gewöhnen. Es wird kein »wenn« und »falls« geben. Ich habe den Eindruck,
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