Einfach hin und weg
ich unbedingt Sonnencreme auftragen.
Endlich kommt die Herberge in Sicht. Diesmal nur 50 Betten auf 2 Etagen. Ich nehme eine Dusche, eine warme Dusche und erkenne, was das bedeutet! Erst auf dem Camino lernt man Dinge schätzen, die vorher völlig normal sind: eine heiße Dusche ist ein himmlisches Vergnügen.
Und dann marschieren wir alle zusammen in die Dorfkneipe und trinken ein großes Glas Bier. Köstlich! Abendessen ebenfalls in der Kneipe mit 3 Gang Menu und Rotwein. Und dann geht es ab ins Bett.
Bisher zwei wunderschöne Tage mit vielen Eindrücken und Erlebnissen.
Nach etwa 55 km an diesen beiden Tagen spüre ich, dass ich es schaffen werde. Ich denke nicht an Santiago de Compostela, sondern heute allenfalls an morgen. Und morgen ist Pamplona und dann schaue ich weiter.
Ich schaffe das. Alles wird gut.
23.05.2007 Laarasoana - Pamplona
Die Wäsche vom Vortag will einfach nicht trocken werden. Zum Teil wickele ich sie in mein Handtuch und verstaue sie im Rucksack. Die Strümpfe und die Unterhose befestige ich mit Sicherheitsnadeln auf dem Rucksack, möglichst mit Blick in die Sonne.
Um 5.30 Uhr ist Schluss mit Nachtruhe in der Herberge. Spätestens dann werden die ersten munter, stehen auf, rascheln mit Plastiktüten und fangen an zusammenzupacken. Ohnehin muss man bis um 8 Uhr räumen. Die meist ehrenamtlichen Helfer reinigen nach Abreise der Gäste Sanitär- und Schlafräume und ein paar Stunden später stehen schon die Neuen vor der Tür.
Außerdem gilt die Reservierung nur für eine Nacht. Krankheiten müssen vom Arzt bescheinigt werden, ansonsten heißt es weiterziehen bis zur nächsten Station.
In Larrosoana gibt es zwar 10 Häuser, aber keinen Bäcker oder sonstigen Laden. Wir brechen auf und wollen im nächsten Ort frühstücken. Am Ende dauert es bis Pamplona, bevor wir etwas kaufen können! Zwischendurch nichts. Ab und zu eine Quelle für frisches Wasser, aber kein Brot oder etwas zum Beißen. Ich verteile an die Mädels die restlichen Müsliriegel und den Traubenzucker und rette mehrere Menschenleben.
In sämtlichen Reiseführern ist die Rede von Flach-Etappen. Ich hab keine einzige gesehen! Hier folgt ein Hügel dem anderen. Mal steil, mal weniger steil, aber immer bergauf.
Schöne Landschaften mit Wiesen, auf denen Pferde mit ihren Fohlen weiden. Kiefernwälder, kleine, zum Teil halbverlassene Dörfer.
Ich laufe meist alleine, am Ende mit Leonie, einer sympathischen Engländerin. Am Ortseingangsschild von Pamplona werden wir vom Rest der „Familie“ erwartet, und es gibt ein großes Frühstück nach dem Einkauf im Supermercado.
Die Familie, das sind:
Christina, Spanierin, ca. 30, Entwicklungsbeauftragte und Projektleiterin bei der Unesco. Zuletzt 6 Jahre in La Paz, Bolivien und jetzt auf dem Sprung nach Afrika.
Renée, 27, Amerikanerin, Studentin für Sozialrecht, kurz vor dem Abschluss.
Leonie, ca. 30, Engländerin, Logopädin.
Sarah, 32, Italienerin, Architekturstudentin, soeben mit Examen abgeschlossen.
Colm, ca. 30, Irländer.
Christian, 26, Schweizer, Chemiker und Laborant. Hat seinen Job gekündigt weil er nach mehreren Firmenzusammenschlüssen seine Arbeit immer wieder im Papierkorb verschwinden sah und all seine Forschungsarbeiten und Energie nie belohnt wurden. Will sich neu orientieren und sucht Kraft auf dem Camino. Startete in Adelboden und hat somit schon einige Hundert Kilometer quer durch die Schweiz und Frankreich in den Beinen. Ein Pfundskerl.
Es ist eine bunt gemischte Gruppe, und ich bin der Älteste. Aber ich merke es nicht!
In der Pilgerunterkunft, wo wir uns einmieten, stehen nur 8 Betten pro Raum. Reiner Luxus! Einige nehmen sich auch ein Privatzimmer, weil sie heute Abend ausgehen möchten und die Herbergen um 9 Uhr schließen. Das Nachtleben lockt.
Aufbruch zum Rundgang mit Sarah durch Pamplona. Kaum draußen, gegen 2 Uhr, fängt es fürchterlich an zu regnen. Zurück in die Herberge und neuer Versuch um 5 Uhr. Alleine! Kathedrale, alte Stadtmauer, Stierkampfarena mit Büste von Ernest Hemingway, der hier einige seiner berühmten Romane geschrieben hat. Danach durch die Altstadt mit der berühmten „Calle Estefada“, über die bei der Fiesta die Stiere gejagt werden, und die die Leute vor sich hertreiben oder umgekehrt. Ich spaziere über die Calle und treffe per Zufall Colm, Renée, Leonie und Christina, die uns heute verlässt. Ihre Mutter hat Geburtstag und sie fährt nach Hause, gar nicht weit von Pamplona weg.
Zünftiger
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