Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
hob aus dem hohen Gras, darin es fast völlig verborgen war, ein sonderbar gekrümmtes orientalisches Messer auf, das herrlich mit bunten Steinen und farbigen Metallen eingelegt war.
»Was ist das?« fragte Father Brown und betrachtete es mit einiger Ablehnung.
»Ach, das gehört wohl Quinton«, sagte Dr. Harris unbekümmert; »er hat haufenweise chinesischen Krimskrams im ganzen Haus. Oder vielleicht gehört es dem sanften Hindu, den er sich an der Leine hält.«
»Welchen Hindu?« fragte Father Brown, der immer noch auf den Dolch in seiner Hand starrte.
»Ach, irgend so einen indischen Zauberer«, sagte der Doktor leichthin; »natürlich ein Schwindler.«
»Sie glauben also nicht an Magie?« fragte Father Brown, ohne aufzublicken.
»Blödsinn! Magie!« sagte der Doktor.
»Es ist sehr schön«, sagte der Priester mit einer leisen träumerischen Stimme; »die Farben sind sehr schön. Aber es hat die falsche Form.«
»Wozu?« fragte Flambeau und starrte ihn an.
»Zu allem. Es ist die falsche Form an sich. Haben Sie das bei östlicher Kunst nie gespürt? Die Farben sind berauschend lieblich; aber die Formen sind niedrig und schlecht – mit Absicht niedrig und schlecht. Ich habe in einem türkischen Teppich wirklich üble Dinge gesehen.«
»Mon Dieu!« rief Flambeau lachend.
»Da sind Buchstaben und Zeichen in einer Sprache, die ich nicht kenne; aber ich weiß, daß sie für böse Worte stehen«, fuhr der Priester fort, dessen Stimme leiser und leiser wurde. »Die Linien laufen absichtlich falsch – wie Schlangen, die sich zur Flucht krümmen.«
»Wovon zum Teufel sprechen Sie eigentlich?« fragte der Doktor mit lautem Lachen.
Flambeau gab ihm ruhig zur Antwort: »Den Father überkommt manchmal diese mystische Wolke«, sagte er; »aber ich kann Ihnen versichern, daß ich ihn nie so gesehen habe, wenn da nicht etwas Böses in der Nähe war.«
»Ach Quatsch!« sagte der Wissenschaftler.
»Sehen Sie doch nur«, rief Father Brown und hielt das gekrümmte Messer auf Armeslänge, als ob es eine glitzernde Schlange wäre. »Sehen Sie die falsche Form denn nicht? Sehen Sie nicht, daß es keinen gesunden und einfachen Zweck hat? Es hat keine Spitze wie ein Speer. Es schneidet nicht wie eine Sense. Es sieht nicht aus wie eine Waffe. Es sieht aus wie ein Foltergerät.«
»Na schön, da Sie es nicht zu mögen scheinen«, sagte der fröhliche Harris, »sollten wir es lieber seinem Besitzer zurückbringen. Sind wir denn noch nicht am Ende dieses verdammten Gewächshauses? Dies Haus hat die falsche Form, wenn Sie wollen.«
»Sie verstehen nicht«, sagte Father Brown und schüttelte den Kopf. »Die Form dieses Hauses ist sonderbar – sogar lächerlich. Aber da ist nichts Falsches an ihm.«
Während sie redeten, kamen sie um die gläserne Rundung, die das Gewächshaus abschloß, eine ununterbrochene Rundung, denn da waren weder Tür noch Fenster, durch die man an jenem Ende hätte eintreten können. Doch das Glas war klar, und die Sonne schien noch hell, obwohl sie bereits unterzugehen begann; und sie konnten nicht nur die flammenden Blüten im Innern sehen, sondern auch die zerbrechliche Gestalt des Dichters, der in einer braunen Samtjacke lässig auf dem Sofa lag, offenbar über einem Buch dösend. Er war ein blasser schlanker Mann mit lockerem braunem Haar und einer Bartkrause, die das Paradox seines Gesichts war, denn der Bart ließ ihn weniger männlich aussehen. Diese Züge waren allen dreien wohlbekannt; aber selbst wenn es nicht so gewesen wäre, dürfte angezweifelt werden, ob sie ausgerechnet dann auf Quinton geblickt hätten. Ihre Blicke waren auf ein anderes Objekt geheftet.
Mitten auf ihrem Weg stand unmittelbar außerhalb der Endrundung des gläsernen Baues ein großer Mann, dessen Gewandung in makellosem Weiß auf seine Füße wallte und dessen nackter brauner Schädel wie sein Gesicht und sein Nacken in der untergehenden Sonne schimmernder Bronze gleich glänzte. Er blickte durch das Glas auf den Schläfer und war bewegungsloser als ein Gebirge.
»Wer ist das?« rief Father Brown, der zurückfuhr und den Atem pfeifend einsog.
»Ach, das ist nur dieser Hindu-Schwindler«, knurrte Harris; »aber ich weiß nicht, was beim Teufel er hier tut.«
»Es sieht aus wie Hypnotismus«, sagte Flambeau und biß sich in den schwarzen Schnurrbart.
»Warum müßt Ihr unmedizinischen Kerle nur immer solchen Unfug über Hypnotismus schwatzen?« rief der Doktor. »Das sieht vielmehr nach Einbruch aus.«
»Auf
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