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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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Flamingo allerdings nicht fangen. Seine Spezialisierung verschafft ihm die nach gegenwärtigem Wissen bestmögliche Nutzung der Kleinkrebse und Blaualgen extrem flacher und sehr salzhaltiger Gewässer. Diese entstehen – und vergehen – natürlicherweise vor allem an tropischen und subtropischen Flussmündungen. Beständiger, aber noch seltener, sind flache Salzseen des Binnenlandes. Lagunen und Flachseen gibt es auf allen Kontinenten. Flamingos kommen nur an solchen vor, die bestimmte Salzkonzentrationen enthalten. Darin kommt es zu den ergiebigen Massenentwicklungen ihrer Hauptnahrung, den Salinenkrebschen bzw. Blaualgen. Und ergiebig müssen diese wirklich sein, sonst können die Weibchen nicht genügend Reserven im Körper ansammeln, die ihnen die Entwicklung der Eier und das Brüten ermöglichen.
    Die Nahrung ist es also, die Vorkommen und Häufigkeit der Flamingos bestimmt. Als man Ersatzfutter künstlich zusammenzustellen gelernt hatte, war die Haltung von Flamingos in Zoologischen Gärten kein Problem mehr. Sie brüten seither durchaus erfolgreich und bereitwillig. Besondere Flachgewässer brauchen sie gar nicht. Sie bekommen ihr Futter in flachen Trögen. Das reicht. Damit und mit dem Zusammensein in der Gruppe sind sie zufrieden. In der freien Natur gibt es Flamingos an Europas Küsten jedoch nur an sehr wenigen Stellen. Die bekanntesten, von Rosaflamingos am regelmäßigsten aufgesuchten Gebiete sind die Camargue im Mündungsdelta der Rhône und die Marismas der Guadalquivirmündung in Andalusien. Seit die Flamingos weitgehend geschützt sind, gibt es einige weitere Vorkommen an anderen Küstenlagunen am Mittelmeer. Am sichersten zu finden sind sie im Sommer jedoch an größeren Salinen. Wo der Mensch künstliche Flachgewässer zur Salzgewinnung geschaffen hat, stellen sich die Flamingos fast mit Sicherheit ein, sobald das Wasser die richtige Salzkonzentration angenommen hat. Dann kommt es darin zur Massenvermehrung von Salinenkrebschen. Starke, die Verdunstung fördernde Sonneneinstrahlung und wenigstens für einige Monate beständige Flachgewässer sind die einfachen, aber von Natur aus nur zeitweise und sehr lokal auftretenden Vorbedingungen für das Leben der Flamingos.
    Danach müssen sie immer wieder suchen. Über ganze Kontinente fliegen sie, um die nahrungsreichen, flachen Salzgewässer zu finden. Nicht einmal in den Tropen, wo das ganze Jahr über die Sonne mehr oder minder gleichmäßig intensiv strahlt, sind die Lebensbedingungen an den Küstenlagunen beständig. Das Wasser kann zu brackig sein, weil viel Süßwasser hineingekommen ist oder die Salzkonzentration liegt zu hoch. Dann kristallisiert Salz an den Beinen der Flamingos aus. Sie bekommen Salzringe, die immer schwerer und letztlich tödlich werden, wenn sie nicht mehr auffliegen können. Besonders schlimm trifft zu hoher Salzgehalt die Jungen, weil diese nicht wie die Altvögel zwischendurch Gewässer mit geringerem Salzgehalt oder mit Süßwasser aufsuchen können, um die Kruste loszuwerden. Zu Tausenden kamen deswegen noch nicht flugfähige Flamingojunge 1962 auf dem Magadisee in Kenia um. Zehntausende wurden von Vogelschützern eingefangen, vom Salz befreit und vor dem sicheren Tod bewahrt. Es war dies eine der größten Rettungsaktionen für Vögel. Ist der Salzgehalt zu gering, gefährdet das zwar die Flamingos und ihre Jungen nicht, aber es unterbleibt die Massenentwicklung der Salinenkrebschen. Dann reicht der Ertrag der Nahrungssuche nicht zum Brüten und zur Versorgung der Jungen. Erfolgreiches Brüten setzt einen hohen Überschuss an Nahrung im Gewässer voraus. Die Flamingos füttern ihre Jungen nämlich nicht mit den Salinenkrebschen oder Blaualgen, die sie selbst aufnehmen, sondern mit einer Flüssigkeit, die wie Blut aussieht. Sie wird, ähnlich wie die Kropfmilch der Tauben, von einem besonderen Drüsengewebe im unteren Schlundbereich, dem Ösophagus, erzeugt und flüssig den Jungen verabreicht. Dieser Nahrungsbrei enthält acht bis neun Prozent Eiweiß und etwa 15 Prozent Fett. Rund drei Viertel macht das Wasser aus. Damit erhalten die Jungen nicht nur das, was sie an Nährstoffen zum Wachsen brauchen, sondern auch genügend Wasser, ohne das sie in der Hitze, die über ihren Brutplätzen herrscht, in kürzester Zeit verdursten würden. Die Lufttemperatur an den Brutplätzen übersteigt häufig 50 Grad Celsius! Aber die Schlammnester ziehen in dieser Hitze Bodenfeuchtigkeit nach oben. Deren Verdunstung kühlt den

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