Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)
Vorwort
Ich traue mich fast nicht nach Parksünder meine zweite Geschichtensammlung vorzulegen. Wie steh’ ich denn da mit einem weiteren Dutzend amouröser Abenteuer, von denen einige wohl stattgefunden haben, andere vielleicht nur erdacht sind? Es gibt Geschichten, die kann man nicht erfinden. Eine Bekannte warf mir nach der Lektüre Parksünder etwas pikiert vor, ich hätte einen ganz schönen Verschleiß an Männern. Als ich vorsichtig darauf hinwies, dass sich die zwölf Geschichten, so sie denn alle auf Tatsachen beruhten, innerhalb von dreißig Jahren abgespielt hätten, kam ein naserümpfendes »Trotzdem!« Sie selbst war geschieden und noch einmal verheiratet, das ergibt zwei Männer in fünfzig Jahren. Ein bisschen wenig. Darum brachte ich die weiteren drei, vier Dutzend Manuskripte, die noch in meiner Schublade schlummerten, lieber nicht zur Sprache. Das Frauchen wäre noch mehr geschockt gewesen. Offenbar kennt sie sich im Schwulenmilieu nicht aus, sonst wüsste sie, dass ein routinierter Cruiser für ein Dutzend Abenteuer keine dreißig Jahre braucht. Da reicht oft schon die Schönwetterperiode eines Sommers, denn wer einmal Blut geleckt hat, den lässt der Park nie mehr los.
Immerhin hat mich die leise Kritik veranlasst, über mein Leben nachzudenken. Soll ich ein Sparschwein werden und monogam leben oder gar enthaltsam oder bleibe ich ein promiskes Ferkel? Ich habe mir mein Schicksal nicht ausgesucht, war bei allen Abenteuern und Ausschweifungen immer auf der Suche nach dem Partner fürs Leben. Es hat nicht sein sollen. Mal klappte es von meiner Seite nicht, mal wollte der andere nicht, und immer wieder stand ich vor dem Grundproblem meines Lebens. Was ich haben kann, will ich nicht, was ich will, krieg’ ich nicht, zumindest nicht auf Dauer. Sicher bin ich nicht der Einzige, dem es so geht. Wie anders ist die promiske Lebensart vieler Schwuler zu erklären, wobei sich das nicht einmal auf die Homosexuellen beschränkt. Welcher Normalo hat sich nicht schon gefragt, zumal im fortgeschrittenen Alter und nach vielen Ehejahren, wo alles eingefahren und zur Routine geworden ist, ob er im Leben nicht etwas versäumt hat? Dann wandelt er auf Freiersfüßen, zieht wieder enge Jeans an und sucht sich eine Geliebte, um noch einmal ein neues Leben zu beginnen. Welchem Homosexuellen, der nicht durch Ehevertrag und Kinder an einen Partner gebunden ist, wollte man es da verübeln, sich einfach umzuorientieren, sobald eine Beziehung festgefahren ist? Dazu leben wir in einer Zeit, wo Rücksichtnahme auf andere ohnehin aus der Mode gekommen ist und jeder, egal ob Männlein oder Weiblein, sich nur noch selbst verwirklichen will.
Jedes Abenteuer bereichert das Schatzkästlein der Erinnerungen. Bei jeder neuen Beziehung lernt man dazu und versucht Fehler, die man zuletzt begangen hat, möglichst zu vermeiden. Das lässt den Menschen reifen und erfahrener an die Dinge herangehen. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass jeder, trotz Partner oder Familie, im Grunde allein ist. Er kommt allein auf die Welt und geht allein wieder. Auf dem letzten Weg begleitet ihn niemand. Was dazwischen liegt, nennt man Leben, egal, ob einer auf der Weltbühne eine Hauptrolle gespielt hat oder nur als Statist in Erscheinung getreten ist. Und mag die Beziehung, in der er lebt, noch so harmonisch sein, einer von beiden stirbt zuerst und der andere bleibt übrig und ist nach vielen Jahren Gemeinsamkeit plötzlich wieder sich selbst überlassen.
Darum sollte man das Leben genießen, und zwar jeden Tag so, als ob es der letzte wäre. Diesen Rat hat schon Ludwig Ganghofer erteilt, als er in seinem Roman Das Schweigen im Walde schrieb: »So sollt sich der Mensch sein Leben einrichten, daß er d' Augen zumachen kunnt in jeder Stund und lachen dabei.«
Trefflicher kann man es nicht ausdrücken. In diesem Sinne bleibt nur jede Gelegenheit, die sich bietet, beim Schopf zu packen, jedes Abenteuer mitzunehmen und bewusst in der Gegenwart zu leben. Was gewesen ist, muss man abhaken und was kommt, als Herausforderung annehmen.
Leichte Beute (1993)
Nie hätte ich gedacht, dass mir mal so etwas passiert. Ich bin ein friedlicher Mensch und tu keiner Fliege was zuleide. Weshalb sollte mir jemand ans Leder? Dabei liest man es täglich in der Zeitung: »Spaziergänger überfallen«, »Radfahrer ausgeraubt« oder »Nächtlicher Überfall im Park«. Und derartige Meldungen häufen sich in erschreckender Weise. Dass es sich bei solchen Vorkommnissen oft um
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