Einmal durch die Hölle und zurück
untergehe.
Aber nur einen Augenblick. Nur nicht trödeln jetzt. Violet und ich krabbeln an Land. Dann stürzen wir uns, ohne den aufrechten Gang überhaupt zu probieren, in das pechschwarze Gehölz.
Das wie ein mit Dornen und Beinstellern garnierter Geburtskanal ist. Immer wieder renne ich bei diesem Stolpersprint in stehende und liegende Hindernisse, unterscheiden kann ich’s nicht, und höre, dass es Violet genauso geht. Als ich hinter mir nach ihrer Hand greife, ist sie nass von Blut.
So scheint das eine Stunde lang zu gehen, obwohl es wahrscheinlich eher zehn Minuten sind. Denn wie lange braucht einer schon, um ein Amphibienboot zu landen, einem Pärchen, das nichts sehen kann, in den Wald nachzulaufen und es mit dem Jagdgewehr aufs Korn zu nehmen?
Die erste Kugel kracht mit dem Klatscher eines Homeruns direkt vor uns in einen Baum. Die zweite schlägt so nah ein, dass sie mir Moos in den Mund spritzt und die rechte Gesichtshälfte inklusive Hals mit Splittern spickt.
Dann stolpern Violet und ich praktischerweise gemeinsam und kommen Auge in Auge zu liegen.
»So geht das nicht«, sage ich, bemüht, sie nicht mit Moos zu bespucken. »Wir müssen uns trennen. Geh du links, ich halte mich geradeaus. Wenn er sich an dich statt an mich hängt, drehe ich um und setze mich hinter ihn.«
»Und ich mach es so, wenn er dir nachgeht.«
»Nein, das ist zu gefährlich. Der sieht dich.«
»Und dich nicht?«
»Nein. Geh.«
Diesmal bleibt zum Küssen – falls Sie wirklich meinen, dass da so was läuft – keine Zeit, vielleicht weil wir beide gemerkt haben, dass ich sie wieder anlüge. Sie streicht mir aber mit der Hand über die versplitterte Gesichtshälfte.
Dann presche ich weiter, streife meine Jacke ab, um eine Spur zu legen, filze sie aber erst nach Sachen, die mir helfen könnten, den Arsch umzubringen. Finde nur eine Digitalkamera in einer Neoprentasche. Wäre ich Professor Marmoset, wäre ich fein raus gewesen.
Da ich jemand ganz anderes bin, konzentriere ich mich eine halbe Minute halbherzig darauf, auszuknobeln, wie sich das Drecksding in ein Nachtsichtgerät verwandeln lassen könnte. Hat es einen Filter, den man rausnehmen muss? Irgendein Sub-Submenü zum Neueinstellen? Dann gebe ich es auf. Ich bin eben kein Elektrotechniker.
Dafür bin ich jemand, der wissen sollte, wie man Irre im Wald ausschaltet. Und der sich schon darauf freut, die Rechtsschleife zu beenden, die ihn ungesehen hinter dieses Arschloch bringt. Ich müsste fast wieder an der Stelle sein, wo ich mich von Violet getrennt habe.
Genau deshalb lässt mir der nächste Schuss, den ich höre, das Blut gefrieren.
Er kommt nicht daher, wo er sollte. Nicht, wenn er mir auf den Fersen ist, nicht, wenn er Violet auf den Fersen ist. Er kommt aus einer ganz anderen Richtung und von zu weit weg.
Das bedeutet, er
ist
Violet auf den Fersen, und ich bin blind durch die Gegend getappt. Und jetzt kann ich unmöglich schnell genug weit genug kommen, um sie vor ihm zu retten.
» HEY , ARSCHLOCH !«, schreie ich. Presche in die Richtung, aus der der Schuss zu kommen schien. Verheddere mich im Gezweig. Höre den nächsten Schuss.
Da entschließe ich mich, die Kamera zu zerschlagen. Nicht, weil das nachtsichtfördernd sein könnte. Sondern, weil ich überhaupt nicht mehr weiter weiß. Höchstens werfen könnte ich das Ding. Mit etwas Glück den Arsch am Kopf treffen, bevor er sie abknallt.
Als ich aushole, wird mir jedoch klar, dass für beides nicht die Zeit ist.
Es ist Zeit für mein Mantra. Das da lautet:
Was bin ich doch für ein Vollidiot.
Ich halte die Rückseite der Kamera von mir weg, damit sie mir nicht die Netzhaut zerstört, decke die Vorderseite mit der Hand ab und schalte sie ein. Vor meinen weit geöffneten Pupillen erleuchtet der Monitor alles um mich herum.
Sehr interessant. Ich bin noch nicht mal auf dem Boden. In den letzten Sekunden bin ich ein Gewirr von Ästen und Zweigen hochgeklettert. Durch die erste Lücke, die ich sehe, springe ich wieder auf den Boden.
Und dann lege ich los. Sehr weit kann ich zwar nicht sehen, aber ich kann
laufen
. Ich kann Bäumen ausweichen, die ich sonst mit dem Gesicht hätte finden müssen, und kann Sackgassen ausmachen, bevor ich mich festrenne. Schließlich lerne ich sogar, die Kamera auf Display zu lassen, damit sie nicht automatisch die Optik schließt und sich ausschaltet.
Ich höre einen Schuss in der Nähe und laufe noch schneller. Komme um einen Baum und knalle dem Schützen fast in
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