Einmal durch die Hölle und zurück
den Rücken.
Mich verblüfft, wie langsam er ist. Schneller zwar als ich, bevor ich was sehen konnte, aber langsam. Er schlendert voran. Macht gemütliche Terminator-Kopfschwenks mit seiner Nachtsichtbrille, ohne das Gewehr zu bewegen. Als ob er das Ganze gewohnt ist und sich nicht ermüden will.
Noch hat er mich nicht gehört und das Kameralicht nicht gesehen. Es juckt mich, ihn einfach umzubringen – Handflächenschlag auf den sechsten Wirbel,
Schön, von Ihnen gejagt worden zu sein –
, aber wenn Violet tot ist, möchte ich, dass er dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Und wenn sie lebt, hat sie sicher selbst ein paar Fragen an ihn.
Ich entreiße ihm das Gewehr und benutze die Hand mit der Kamera, um die Nachtsichtbrille hochzuziehen und ihm ins Gesicht zu leuchten.
»Ach du Scheiße«, sage ich laut.
Es ist Dr. McQuillen.
Auf dem Rückweg zum Boot – Violet mit McQuillens Nachtsichtbrille voran, ich mit der Kamera in der Hand dahinter – lasse ich McQuillen gelegentlich mit dem Kopf gegen einen Ast laufen. Ich friere und habe Schmerzen, und Violet war voller Blut, als ich ihr McQuillens Anorak gab. Ich hätte ihr auch noch sein Hemd gegeben, wusste aber nicht, ob jemand seines Alters die Kälte überstehen würde, so fit er offensichtlich auch war.
Um mich womöglich noch mieser zu fühlen, denke ich daran, wie ich sein Sprechzimmer auf den Kopf gestellt habe, ohne zu schnallen, dass sein CT fehlte. Verkauft für das Amphibienboot, denke ich jetzt.
Wir erreichen selbiges.
Ich sage: »Also: Was ist da im Wasser?«
»Das weiß ich nicht.«
Ich frage nicht noch mal. Ich packe ihn am Kragen und steige oberschenkeltief in den See mit ihm. Klappe mit den Zähnen das Messer auf, das ich aus seiner Jacke geholt habe, und ritze ihm die Schulter blutig. Tauche ihn unter.
Violet schaltet hinter uns die Bootsscheinwerfer an. Es ist komisch, wieder normal sehen zu können.
»Was ist da?«, frage ich, als ich ihn hochziehe.
»Ich sag’s Ihnen!«, schreit er. »Holen Sie mich aus dem Wasser!«
Ich tu’s. Er sagt’s mir.
Anlage I:
Aus: Editorial, Science , 12 . Dezember 2008 , 322 : 1718
MEERESBIOLOGIE
Carcharhinus? Ihr lernt uns noch kennen!
Eine Regel ohne Ausnahme gibt es vielleicht nicht, doch der Bullenhai,
Carcharhinus leucas
, bildet für mindestens drei Regeln die Ausnahme. Unter Ichthyologen ist er seit langem wegen seiner wilden Aggressivität berühmt (Bullenhaie sehen aus wie breite, gedrungene Weiße Haie; die fünf Haiangriffe am Strand von Jersey zwischen dem 1 . und 12 . Juli 1916 , die das Buch und den Film
Der Weiße Hai
angeregt haben, werden mittlerweile einem einzelnen
C. leucas
zugeschrieben), und er ist der einzige Hai, der sich die elasmobranchiale Fähigkeit bewahrt hat, sowohl im Meer als auch in Süßwasser nicht nur zu überleben, sondern zu jagen und gedeihen. Dieses hübsche Kunststück gelingt
C. leucas
dank einer wahren Grabbeltüte an Anpassungen wie etwa verminderter Harnstoffproduktion der Leber, Harnstoffdiffusion über die Kiemen, der Fähigkeit, den Harnausstoß um das Zwanzigfache zu steigern und der Fähigkeit, via Na+, K+- ATP ase sowohl in den Distaltubuli als auch den Rektaldrüsen zwischen aktivem und passivem Elektrolytenaustausch zu wechseln. Das dritte einzigartige Merkmal des
C. leucas
ist sein Verbreitungsgebiet: Bullenhaie werden in einem den Globus umspannenden Band nördlich bis Massachusetts und südlich bis zum Kap der guten Hoffnung angetroffen.
Trotz ihrer weiten geographischen Verbreitung treten einzelne Bullenhaie jedoch so selten auf, dass man sie früher mehr als einem Dutzend verschiedener Arten zugeordnet hat. Erst nach und nach wurden Exemplare aus so unterschiedlichen Gewässern wie dem Ganges, dem Sambesi und dem Mississippi (wo man Bullenhaie bis hinauf nach Illinois angetroffen hat) in der Art C. leucas zusammengefasst, zumeist aufgrund anatomischer Vergleiche. So wurde etwa der Nicaraguahai,
Carcharhinus nicaraguensis
, 1961 endgültig als
C. leucas
klassifiziert.
Dieser Zuordnung entgangen war wegen seines seltenen Vorkommens und seiner gefährdeten Bestände bisher noch der vietnamesische Flusshai,
Carcharhinus vietnamensis
. Nun haben Gordon
et al.
das vor Ort gewonnene Genom des
C. vietnamensis
mittels Dye-Terminator-Sequenzierung mit dem des
C. leucas
verglichen und festgestellt, dass sie identisch sind. Das Mekong-Delta, so die Theorie der Autoren, könnte für Bullenhaie der nördlichste Durchgang
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