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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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Amphibienschlauchboots direkt gegenüber unserem Standort. Ich setze meine neue Nachtsichtbrille von CFS auf und bringe das Boot in ihr schmales Visier. Seine Reifen ragen noch aus dem Wasser, als es an uns vorbeikommt.
    Der Scheißfahrer hat wieder seine Kapuze auf. Er scheint aber nicht zu wissen, dass ihn jemand beobachtet, denn er zündet eine plastikverpackte Stange Dynamit an und wirft sie übers Heck, ohne sich groß umzusehen.
    »Dynamit«, sage ich.
    »Ich seh’s.« Violet hat auch eine Nachtsichtbrille.
    Trotzdem fährt uns die Detonation in die Knochen.
    Dass man mit Dynamit fischen kann, wenn’s einem Spaß macht, liegt daran, dass Fische im Gegensatz zum Wasser komprimierbar sind. Eine Explosion im Wasser, zumal in flachem Wasser, ist für einen Fisch, als ob er einem Newton’schen Pendel aus lauter Abrissbirnen zu nahe kommt. Alles andere überträgt nur die Kraft und ruht in sich. Der Fisch nimmt sie auf und zerreißt. Genauso ergeht’s einem U-Boot, neben dem eine Tiefenladung abgelegt wird.
    Bei dem ganzen Krach erscheint es etwas albern, dass wir so lange geübt haben, das Kanu lautlos aufs Wasser zu bringen, aber wir halten uns ans Konzept, und als wir ins Kielwasser des Amphibienboots gleiten, sinne ich einen Augenblick darüber nach, wie viel besser unser Tandempaddeln in den letzten Tagen geworden ist.
    Dann sinne ich über ein paar praktische Fragen nach, die ich mir vielleicht schon eher hätte stellen sollen. Zum Beispiel, ob der Typ ein Sonargerät hat oder nicht, und wenn ja, ob er damit ein Kanu hinter sich ausmachen kann.
    Das Boot legt eine so scharfe Wende hin, dass ich mir beide Fragen mit Ja beantworte. Zumal der Typ jetzt zu dem Harpunengeschütz vorn im Boot rennt.
    Violet und ich legen das Kanu quer, damit es stehen bleibt. Das Infrarotlicht an unseren Brillen haben wir überklebt, damit er es nicht sieht, aber er kommt anscheinend auch so klar. Jedenfalls sehen
wir
im gleißenden Licht
seiner
Brille alles, was wir sehen müssen. Nämlich, dass er auf uns zielt. Und schießt.
    »Halt!«, rufe ich.
    Ich frage mich, ob Kevlar Harpunen aushält.
    Zu mehr reicht die Zeit nicht.

32 White Lake
    Immer noch Sonntag, 23 . September
    Mein Gesicht durchstößt die Wasseroberfläche, ich werde komplett verschluckt, alles wird realer als noch vor einem Augenblick. Da war es schon ziemlich real, nur nicht so wie jetzt das kalte schwarze Wasser, in dem irgendetwas Schauerliches lebt, und über dem sich ein Typ mit Nachtsichtbrille, Jagdgewehr und Dynamit herumtreibt.
    Menschen sind übrigens noch stärker komprimierbar als Fische.
    »Violet!«, rufe ich, als ich an die Oberfläche komme.
    Ich glaube, ich bin deshalb so weit geflogen und so durcheinandergewirbelt worden, weil sich das Kanu verformt hat, als es von der Harpune getroffen wurde, und mich dann, als es wieder halb in die alte Form zurückgeschnellt ist, wie einen Pfeil in die Luft katapultiert hat.
    »Hier!«, sagt sie.
    Ich schwimme schnell auf sie zu, den Kopf unter Wasser, weil ich doch nichts sehen kann, und meine Kleider geben jeder Bewegung den falschen Rhythmus mit. Ich würde sie ausziehen, aber das dauert, und ich rede mir immer noch ein, dass da was drin ist, was ich noch mal gebrauchen kann.
    Eine Hand von Violet streift mich. Ich greife zu und hebe den Kopf. Sie ist kaum zu sehen, nur ihre Augen und Haare schimmern wie der See.
    Ich sage: »Wir tauchen, Hand in Hand, so weit wie möglich, holen Luft, reden nicht und tauchen wieder, bis wir ans Ufer kommen. Okay?«
    »Ja«, sagt sie.
    Wir küssen uns schnell, falls Sie meinen, dass wir so weit gediehen sind, und tauchen. In die schrille Stille des Wassers, das darauf zu warten scheint, dass es kracht oder ein Vieh uns die Köpfe abbeißen kommt, je nachdem, wer schneller ist.
    Wir schwimmen ziemlich weit, in einer möglichst geraden Linie, dann drückt Violet meine Hand und wir tauchen prustend auf. Gehen erneut runter und schwimmen diesmal, bis unsere Hände die Steine am Grund berühren und wir wissen, dass wir im Uferwasser sind. Kaum nehmen wir die Köpfe hoch, hören wir das Klapperschlangenzischen einer Zündschnur.
    Ich glaube nicht, dass das Dynamit in unserer Nähe einschlägt. Ich spüre keine Welle, weder, als es aufs Wasser trifft, noch als es explodiert. Ich spüre nur den Ruck, der durch mich hindurchgeht wie ein Tritt in die Eier, meine Muskeln schreddert und dabei meinen Blutdruck vervierfacht. Dann merke ich, dass ich wieder unter Wasser bin,

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