Einmal Paradies und zurück
einem eisigen Lächeln, und stellt das Tablett sanft auf dem Couchtisch vor ihr ab. Ich wünsche mir sehnlichst, dass sie die Ginflasche nimmt und ihrer Horrorschwägerin über den Kopf kippt, aber nein. Kate mixt schweigend die Drinks, lässt mit der Zange einen Eiswürfel ins Glas plumpsen und reicht Rose einen Gin Tonic, der so groß ist, dass man sich die Haare darin waschen könnte.
Rose rutscht unbehaglich auf ihrem Sessel herum, kriegt die veränderte Stimmung nun doch mit, konzentriert sich aber auf den Fernseher und hat nicht mal den Mumm, Kate ins Gesicht zu schauen. Auch Robbie hat die Spannung wohl mitbekommen, denn er erstarrt mit seiner Bierdose in der Hand und sieht aus, als würde er sich am liebsten wegbeamen lassen.
»Nur zu deiner Information, Rose«, sagt Kate schließlich mit ruhiger, klarer Stimme, immer noch lächelnd, hoch aufgerichtet. »Ich verbringe meine Tage nicht damit, dass ich mit meinen Freundinnen Kaffee trinke oder Pauls Geld aus dem Fenster werfe, wie du es ausdrückst. In letzter Zeit habe ich mich vorwiegend um meine Mutter gekümmert. Meine Familie macht gerade eine recht schwere Zeit durch, falls du das noch nicht mitbekommen hast, und solche Bemerkungen sind alles andere als hilfreich.«
Rose wendet sich ihr zu, unterbricht sie aber nicht.
»Deshalb schlage ich vor, du trinkst dein Glas aus, und dann geht ihr alle zu eurem Konzert. Wenn du später heute Abend wiederkommst, wäre ich dir dankbar, wenn du dich an deine Manieren erinnerst. Ich möchte darauf hinweisen, dass du Gast in meinem Haus bist. Alles klar? Schön.«
Gut gemacht, Kate! Das hat diese Kuh auf ihren Platz verwiesen. Obwohl ich finde, du warst ein bisschen zu zurückhaltend und hättest deine kleine Ansprache vielleicht noch mit Sätzen wie »Leck mich am Arsch, du hinterhältige Schlampe« aufmotzen können. Aber es war schon mal ein vielversprechender Anfang.
Rose rührt den Drink nicht an, der vor ihr steht, sondern steht auf und sagt, sie möchte los, um den Beginn des Konzerts nicht zu verpassen. Und die ganze Zeit über ist Paul, der Mann, den ich so lange als Inbegriff männlicher Perfektion verehrt habe, so auf Julie konzentriert, dass er von dem ganzen Vorfall nicht das Geringste bemerkt hat. Er kriegt auch nicht mit, dass seine Frau zittert, er spürt nichts von der dicken Luft – und vermutlich wäre es ihm auch egal.
Stunden später sitzen Kate und Kirsten gemütlich auf dem Sofa und essen Popcorn. Kirsten, die für ihre acht Jahre ziemlich reif ist, erläutert ihrer Tante gerade ihre Lebensphilosophie.
»Ich habe zwei Regeln«, sagt sie, kaut ihr Popcorn und gibt sich alle Mühe, weise und erwachsen zu wirken. »Nummer eins: Wenn Mammy sauer ist auf Daddy, sollte ich mir nie die Haare von ihr bürsten lassen. Nummer zwei: Wenn jemand mich haut, haue ich nicht zurück, denn erwischt wird immer die, die zurückhaut. Und du, Tante Kate? Was für Regeln hast du?«
Kate schaut nachdenklich geradeaus und überlegt. »Manchmal ist es unmöglich, es anderen Menschen recht zu machen, Mäuschen. Deshalb sollte man sich dann die Mühe sparen.«
»Weißt du, ich hab dich sehr gern, Tante Kate. Du bist die einzige Erwachsene, die mich nie anschreit. Können wir für immer Freunde sein?«
»Natürlich, gerne.«
»Besondere Freunde?«
»Ich finde, das ist eine großartige Idee, Liebes. Denn manchmal braucht man in diesem Leben einen ganz besonderen Freund.«
Die anderen kommen erst weit nach drei Uhr zurück, allesamt blau wie die Veilchen. Paul führt alle in die Küche, wo sie noch lange sitzen, trinken und plaudern und sich keinen feuchten Kehricht darum scheren, ob sie mit ihrem Lärm jemanden stören.
Ich bleibe die ganze Zeit bei Kate, wache über sie, und als sie anfängt zu schluchzen, schluchze ich mit.
Kapitel 25
James
Am nächsten Morgen schaffe ich es, mehr aus schlechtem Gewissen als aus sonst einem Grund, mich von der schlafenden Kate loszureißen und nach James zu schauen. Ich tue, was ich immer tue, das heißt, ich konzentriere mich auf ihn und erwarte, dass ich umgehend in seinem Haus lande. Aber nein, diesmal ist es anders. Denn als ich mich umschaue, merke ich, dass ich im Krankenhaus bin. Auf einer offenen Station, mit sechs Betten, gepackt voll mit Besuchern, während die Ärzte ihre Runden machen und die Schwestern durch die kleinen Kabuffs wuseln. Es ist laut und hektisch, im Hintergrund läuft ein Fernseher, Rollwagen rattern, Telefone klingeln, und es klingt, als
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