Einmal Paradies und zurück
Nachtschränkchen zu klauen?
Meine wunderbaren Medikamente, die mir helfen, das alles durchzustehen.
Dann habe ich plötzlich das Gefühl, dass meine Schwester Kate bei mir ist. Ich erkenne sie an der Wolke Estée Lauder Pleasures, von der sie stets umgeben ist.
»Mum, stell den Fernseher ab, das ist vielleicht unangenehm für Charlotte.«
»Aber es läuft
Desperate Housewives
! Das ist doch ihre Lieblingssendung. Wenn die sie nicht zurückbringt, fällt mir bald nichts mehr ein.«
»Nein, ich mach lieber Musik. Angeblich reagieren schon ungeborene Babys sehr stark auf diesen Song.«
Ich höre Kates Absätze durch den Raum klacken, und kurz darauf erfüllen Klänge den Raum, die ich wirklich liebe: Amy Winehouse’ Album
Black to Black
.
Danke, Kate, das ist ein großer Fortschritt nach dem ganzen Swing, mit dem Mum mich gequält hat. Ich kann mich allerdings nicht gegen den Verdacht wehren, dass du die Sache mit den ungeborenen Babys frei erfunden hast.
Wieder tauche ich ab, aber als ich wieder hochkomme, habe ich den Eindruck, dass ich mit Kate allein bin. Ich bin sogar ziemlich sicher, denn sie erzählt mir Sachen, die sie in Anwesenheit einer anderen Person niemals erwähnen würde – es sei denn, diese andere Person liegt im Koma. Kate ist extrem reserviert. Manchmal ist sie sogar ein bisschen furchteinflößend, und bis sie ihren Mann kennengelernt hat, war sie keinen einzigen Tag Single, eine Tatsache, die Fiona und mich immer wieder mit Neid und Hochachtung erfüllt. Wir haben es uns so erklärt, dass die Typen sich einfach nicht getraut haben, ihr den Laufpass zu geben. Kate ist genau die vernünftige, leicht autoritäre große Schwester, wie jeder Mensch eine haben sollte, aber bei einigem von dem, was sie mir jetzt erzählt, komme ich mir vor wie ein stummer Kummerkasten.
»… ich hab gerade einen Eisprung, aber Paul ist nach Galway gefahren, weil er unbedingt mit seiner blöden Band proben muss, keine Ahnung, warum die sich überhaupt die Mühe machen, für mich klingen ihre Songs alle gleich beschissen. Das ist so typisch für ihn. Weißt du, manchmal denke ich, dass er das Ganze überhaupt nicht ernst nimmt, echt mal. Deshalb versuche ich es jetzt noch drei Monate, und dann melde ich mich für eine In-vitro-Prozedur an, die kostet ja auch nur vier Riesen pro Versuch, unglaublich, oder?«
Kate, weißt du eigentlich, was für ein Glück du hast, dass du mit einem anständigen Mann verheiratet bist, einem Mann, der dich wirklich liebt? Weißt du, dass Fiona und ich ihn hinter deinem Rücken Perfect Paul getauft haben? Und dir fällt nichts Besseres dazu ein, als hier zu sitzen und über deine Eierstöcke zu jammern?
»… und ich hab die Nase so voll von Mums Kommentaren, wie furchtbar sie sich danach sehnt, endlich Großmutter zu werden. Neulich hat sie mich gefragt, ob ich das Kinderkriegen verschiebe, weil ich lieber Karriere machen will. Da hätte ich sie am liebsten angeschrien: ›Was für eine Karriere meinst du denn bitte schön?‹ Ich meine, Herrgott nochmal, ich bin Teilzeit-Rezeptionistin in einem Fitnessstudio, und der größte Erfolg, den ich da verbuchen kann, ist die Anschaffung von zwei neuen Laufbändern. Schließlich hab ich den Job ja auch nur angenommen, weil ich dachte, ich wäre inzwischen längst schwanger, und so ein lockerer Job wäre genau das Richtige für mich. Zu allem Überfluss müssen wir nächstes Wochenende auch noch zu einer Taufe, was bedeutet, dass ich den ganzen Tag von Müttern umringt bin, jede mit mindestens zwei perfekten Bälgern, und alle starren mich voller Mitleid an und fragen sich, was mit mir eigentlich nicht stimmt. Ich stecke echt in einer Krise, weißt du.«
So sieht für dich also eine Krise aus? In meinen Augen ist das lediglich Jammern auf hohem Niveau. Kate, du bist grade mal dreiunddreißig, und du hast in deinem Leben praktisch alles erreicht. Du hast Perfect Paul, du hast ein Haus wie aus dem Bilderbuch, mit einer Gästetoilette im Erdgeschoss, die niemand benutzen darf, weil sie noch so neu ist, und einem Extrazimmer, für das ihr wahrscheinlich schon die Babyfarben ausgesucht habt. Wenn der richtige Zeitpunkt kommt, wirst du eine dieser Yummy Mummys, die in ihrem Jeep mit Allradantrieb rumkutschieren. Aber jetzt verzieh dich bitte, ich brauche Ruhe.
Doch mein Wunsch geht nicht in Erfüllung. Heute reißt der Besucherstrom überhaupt nicht ab. Sogar Anna, meine Chefin, taucht auf, stinkt nach abgestandenem Zigarettenrauch und
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